Kath. Kirchengemeinde St. Peter und Paul VoerdeGemeinde St. Elisabeth FriedrichsfeldGemeinde St. Paulus Voerde/MöllenGemeinde St. Peter Spellen

Chronik des Kirchenchors St. Peter Spellen

Im Jahr 2009 kann der Kirchenchor St. Peter Spellen auf ein 125 jähriges Bestehen zurückschauen. Damit soll nicht gesagt sein, dass erst seit dem Jahre 1884 in Spellen der Kirchengesang gepflegt wurde.
Als im Jahr 1715 der Pfarrer von seinen Kirchenoberen zur Ausstattung der Kirche befragt wurde, musste er noch zu seinem Bedauern feststellen, dass es keine Orgel in Sankt Peter gab. Durch einen Brand, so weiß die Chronik der Gemeinde, wurde jedoch 1771 auch die Orgel vernichtet, so dass wohl noch in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts diese erste Orgel angeschafft worden sein dürfte.
Der Neubau einer Orgel erfolgte dann im Zuge der Beseitigung der Brandschäden und der barocken Umgestaltung der Kirche im Jahre 1781.
Da der damalige Schulmeister und Küster Heinrich Hartmann vorher als Organist in Kalkar tätig war, können wir vermuten, dass er dieses Instrument auch spielte und sicher auch schon mit seinen Schülern oder interessierten Gemeindemitgliedern eine Sängergruppe bildete, die wir als Vorläuferin unseres Jubiläumschores ansehen dürfen.
Von diesen musikalischen Aktivitäten wissen wir wenig, doch schrieb der aus Spellen stammende Pfarrer Theodor Jordans 1979 in der Festschrift zum damaligen Chorjubiläum:

"Auch in Spellen bestand von Alters her eine solche Sängergruppe.
Aus mündlichen Berichten früherer Generationen – ich denke da z.B. an meinen Vater, der 1865 geboren wurde – geht hervor, dass um 1870ein „studierter“, wendiger und weltbeflissener junger Mann, namens Franz van Hoogen, der auf dem Uferhof, Schied, wohnte und später mit seiner Schwester Johanna Hoogen nach Amerika auswanderte, den Sängerchor geleitet und mit ihnen im Hochamt und in der sonntäglichen Vesper den Gregorianischen Choral und an den Feiertagen auch mehrstimmige Messen und Motetten gesungen habe.
Organist war zu der Zeit ein Lehrer Benedik (Lehrer in Spellen von 1871-1878).
Der Chor hatte seinen Platz auf einer niedrigen Empore im letzten Joch der Kirche vor dem Turm.
Die Turmhalle wurde erst 1907 durch die Öffnung eines großen gotischen Bogens in den Kirchenraum einbezogen."

Kirchenchor im Jahr 1984

Nach der Reichsgründung 1871 kam es zum Kulturkampf zwischen Reichskanzler Bismarck und den deutschen Katholiken, der bis 1885 dauerte.
Der protestantisch geprägte Staat versuchte über die Besetzung der Pfarrstellen größeren Einfluss auf die Kirche zu bekommen, wogegen sich die Bischöfe zur Wehr setzten. Als Folge wurden sie teils verhaftet, teils mussten sie ins Exil gehen. Pfarrstellen, wie auch die in Spellen, blieben über Jahre unbesetzt.
Dies schweißte die Katholiken zusammen und führte zu einer Selbstorganisation der engagierten Gemeindemitglieder in eine Fülle von Vereinen und Verbänden.
So schlossen sich viele Kirchenchöre der „Cäcilianischen Bewegung“ an und gründeten „Cäcilien-Vereine“. Dies war auch in Spellen der Fall, als 1884 unter Hauptlehrer Wilhelm Dreckmann und Pfarrer Riswick der „katholische Cäcilienverein-Spellen“ aus der Taufe gehoben wurde.
Aus diesem Anlass entstand auch wohl die früheste Gruppenaufnahme, die Pfarrer Anton Riswick als Präses mit Chorleiter Hauptlehrer Dreckmann und 23 Sängern zeigt und im Jahre 1884 oder 1885 entstanden sein dürfte.
In dieser Zeit wurde besonders großen Wert auf die Pflege des Gregorianischen Chorals gelegt, also der Kirchenmusik in lateinischer Sprache und in der Form des klösterlichen Gesangs.

Das früheste noch vorhandene Protokoll einer Jahreshauptversammlung des Cäcilienvereins vom 1. November 1907 berichtet, dass die Mitgliederzahl stark geschrumpft war und nur noch 13 Mitglieder zur Versammlung erschienen waren.
Diese Entwicklung hing vermutlich mit dem Gesundheitszustand von Chorleiter Hauptlehrer Dreckmann zusammen, der an einem Magenleiden litt. Dieses Leiden ließ regelmäßige Proben und Auftritte nicht mehr zu. Dreckmann trat daher auch 1908 als Lehrer in den Ruhestand.
Das Jahr 1907 war allerdings zugleich ein Neuanfang, denn mit Lehrer Clemens Kuhn, der 1906 nach Spellen kam, übernahm ein fähiger Musiker die Leitung des Chores.
Der neue Präses, Pfarrer Jakob Schmitt, der 1904 als Seelsorger an Sankt Peter eingeführt worden war, wird das seinige dazu getan haben.
So fassten die Sänger schon bei der obengenannten Jahresversammlung das 25jährige Jubiläum des Chores im Jahr 1909 ins Auge.

Aus dem Jahre 1913 stammt die heute noch vorhandene Fahne des Kirchenchores, die die Heilige Cäcilia, Partronin der Kirchenmusik, zeigt.
Der Erste Weltkrieg riss auch in den Reihen der Sänger seine Lücken, so ließen 1914 Theodor Krüsmann und 1915 Paul Klömpken auf den Schlachtfeldern ihr Leben.

Vorderseite
Rückseite

Nach dem Krieg trieb Anfang der 1920er Jahre die Geldentwertung während der Inflation die Kassenbeträger in schwindelnde Höhe. So wies der Kassenbericht des Jahres 1923 den größten jemals vorhandenen Kassenbestand mit „5.000.000 Mark“ auf.

Ende der 1920er Jahre war es Lehrer Kuhn, der mit der alten Tradition eines reinen Männerchores brach und den gemischten Chor in St. Peter einführte.
Sängerinnen hatte es auch schon vorher in Spellen gegeben und zwar waren es junge Frauen der Marianischen Jungfrauen Kongregation, die die Prozessionen im Laufe des Kirchenjahres und die Wallfahrt nach Kevelaer musikalisch begleiteten.
Kein offizieller Beschluss zur Aufnahme von Frauen in den Kirchenchor findet sich im Protokollbuch des Kirchenchores. Obwohl sie wahrscheinlich schon einige Jahre im Chor mitsangen, waren sie doch noch keine stimmberechtigten Mitglieder im „Cäcilienverein“.
Erst 1928 scheint die Umwandlung zu einem „gemischten Chor“ abgeschlossen gewesen zu sein, denn im Protokoll der Jahreshauptversammlung dieses Jahres ist zu lesen: „Das Cäcilienfest soll in alter Weise gefeiert werden und würden auch in diesem Jahr zum ersten mal die Sängerinnen dazu eingeladen.“(S.62)
Dieses Fest wird keine steife Angelegenheit geworden sein, weiß der damalige Chronist doch ,,dass sich zu seiner Ausgestaltung aus den Reihen der Mitglieder  „eine große Anzahl Humoristen und Spieler“ meldeten." Immerhin standen nun schon 19 Sängerinnen 20 aktiven Sänger gegenüber.

Die Aktivitäten des Kirchenchores erstreckten sich in dieser Zeit über die Mitgestaltung der Gottesdienste hinaus. Fast Jahr für Jahr fanden Theaterabende im Saale van Holt statt, bei denen Stücke zur Aufführung kamen, die Titel trugen wie „Lebendig begraben“ (1926), „Dreizehnlinden“ (1926), „Als er wiederkam“ (1928), „Das Haus wo meine Mutter wohnt“ (1928), „Am Hügel, der mein Liebstes birgt“ (1930).
Die Chronik dieser Jahre lässt erkennen, dass sich der Musikgeschmack in den Gottesdiensten veränderte, so findet sich 1931 der Eintrag: „Der Herr Präses trat für eine intensive Übung des deutschen Kirchenliedes ein, weil der Volksgesang sich immer mehr einlebe."

Nicht unberührt blieb das Vereinsleben von den politischen Umwälzungen 1933, als die Nationalsozialisten die Macht mit Hilfe demokratischer Wahlen ergriffen.
1934 bekam der Kirchenchor schon zu spüren, dass kirchliche Vereine nicht in das Konzept der Nazis passten.
So sollte am 24. Juni das Dekanats-Cäcilienfest in Spellen stattfinden, an dem alle Kirchenchöre des Dekanates mit ca. 350 Sängerinnen und Sängern in Spellen teilnehmen sollten.
Am 11. Juni wurde beim Bürgermeister der Antrag auf Genehmigung gestellt.
Das Singen in der Kirche im Hochamt und der kirchenmusikalischen Andacht um 15 Uhr wurde zwar genehmigt, der Festzug - ohne Musik - entlang des Krankenhauses zum Festsaal „van Holt“ wurde allerdings - einen Tag vorher! - von Bürgermeister Schlössin mit der Begründung abgelehnt: „Da mit der Möglichkeit gerechnet werden muss, dass ein geschlossener Umzug durch größere Teile des Ortes von der Bevölkerung als politische Demonstration aufgefasst werden würde, kann ein solcher Umzug nicht gestattet werden.“ Dahinter steckte die Kreisleitung der NSDAP, die den Antrag des Schriftführers Heinrich Hülsermann mit dem Vermerk quittierte: „Versammlung genehmigt. Aufmarsch und Umzug abgelehnt."

Ostern 1937 übernahm den Dirigentenstab, nach dem Hauptlehrer Kuhn in den Ruhestand gegangen war und seinen Ruhesitz im Sauerland, der Heimat seiner Frau, nahm, der neue Küster und Organist Alois van Holt.
Dies bedeutete zugleich den Bruch mit einer Tradition.
Nun leitete nicht mehr ein Lehrer, sondern ein Kirchenangestellter den Chor.
Alois van Holt, der aus Wissel stammte, leistete weiterhin intensive Aufbauarbeit und gründete außerdem eine Knabenschola.

Durch den Ausbruch des zweiten Weltkrieges wurde das Chorleben empfindlich gestört und kam durch die Einberufung des Chorleiters und aller wehrpflichtigen Sänger fast vollständig zum Erliegen.
Trotz aller sich daraus ergebenen Schwierigkeiten waren es die Senioren des Chores, die sich dafür einsetzten, dass auch während der Kriegsjahre immer wieder Choralämter gesungen werden konnten. In den Tagen vor Ostern 1945 wurde durch Artilleriebeschuss die Pfarrkirche allerdings so beschädigt, dass nun über Jahre kein Gottesdienst dort stattfinden konnte.

Spuren aus den letzten Kriegstagen entdeckten man sogar im Kassenbuch des Chores, in dem sich eine Notiz von Kassenwart H. Terfurth findet: "Durch die Kriegseinwirkungen beschmutzt. Durch die Amerikaner. Übergang in der Nacht zum 24.3.1945 in Ork.“
Dennoch nahm der Chor, nach der Rückkehr des Chorleiters Alois van Holt aus englischer Gefangenschaft, bereits im Jahre 1946 die Proben wieder auf.

Die schrecklichen Folgen des zweiten Weltkrieges lassen sich unter anderem daran ablesen, welche Mitglieder des Chores Opfer der Kriegspolitik der Nazis und ihrer Folgen wurden.
Auf den Schlachtfeldern des zweiten Weltkrieges starben als Soldaten Josef Krüßmann, Willi Kurtz, Heinrich Mömken, Hermann Schulte-Loh und Heinrich van Holt. Als vermisst galten Konrad Bongers, Fritz Ricking (Schriftführer seit 1935) und Heinrich Wink.
Sänger Johannes Ochtrop, der schwerkrank aus russischer Gefangenschaft heimkehrte, starb am 15. Januar 1946. Selbst nach Kriegsende kam am 9. Januar 1948 der zwölfjährige Sängerknabe Johannes Basten durch die Explosion einer Mine ums Leben.

Aus den Reihen der Sängerinnen starben durch die Bombardierungen im Jahr 1945 Gertrud Terhorst geb. Altpaß, Hanni Herbert und Johanna Küster.

Bei der ersten Generalversammlung nach siebenjähriger Unterbrechung am 10.3.1946 zählte der Chor immerhin 5 Ehrenmitglieder, 16 passive Mitglieder, 30 aktive Sänger, 28 aktive Sängerinnen und 18 Sängerknaben. Die Versammlung musste allerdings im Pfarrhaus stattfinden, da die Säle noch zerstört waren.

Ein denkwürdiger Tag für den Kirchenchor wurde der 5. Juni 1947. Theodor Jordans, ein Sohn der Pfarrgemeinde und lange Jahre hindurch Mitglied des Chores, feierte als Neupriester seine erste heilige Messe in Spellen.
Dieses festliche Primizamt fand in der Scheune des Bauern Johannes van Holt, Am Schied, statt, die man als Notkirche hergerichtet hatte.
Der Chor sang die Missa „Lauda Sion“ von G. Palestrina und als Einlage das „Halleluja“ von Händel, das Lied „Du bist Petrus“ von Heinrich Lehmacher und das siebenstimmige „Ave Maria“ von Anton Bruckner.

Knabenschola 1947

Ein wertvolles Dokument ist das Gruppenbild des Chores, das bei diesem Anlass entstand.
Es beweist, dass trotz der schweren Nachkriegsjahre etliche junge Leute für den Chor gewonnen werden konnten. Sie trugen mit dazu bei, dass das Chorleben eine erfreuliche Aufwärtsentwicklung nahm.
Über den Gesang der Knabenschola zum Cäcilienfest in St. Marien Lohberg berichtet der Chronist: „dass der Kirchenchor St. Peter Spellen Knabenstimmen in seinen Reihen hat, welche in der Tonreinheit und Klangfülle von den Damenstimmen nicht zu erreichen sind."

Höhepunkt des Jahres 1949 war sicher die Wiedereinweihung der Pfarrkirche am Fest Christi-Himmelfahrt, dem 26. Mai, die der Chor musikalisch mit gestaltete.
Wenige Tage später verließ Chorleiter van Holt Spellen, um in Homberg am linken Niederrhein eine neue Stelle als Organist zu übernehmen.

1949 - Wiedereinweihung der Kirche

An die Stelle von Alois van Holt trat noch im selben Jahr Josef Mömken.
Auch er hatte wieder das Küster-, Organisten- und Chorleiteramt in seiner Person vereint. Als gebürtigem Spellener lag ihm die Leitung des Kirchenchores St. Peter besonders am Herzen.

1950 fand das 1. Dekanats-Chorfest nach dem Krieg am 23. Juli in Spellen statt.
Diesmal hatte kein Parteibonze den Festumzug zu verbieten, so konnten die Sängerinnen und Sänger angeführt von der Kapelle des Bergwerks Walsum durch das Rheindorf ziehen.

Dem Protokollbuch können wir für das Jahr 1954 entnehmen, dass 14 Damen, 14 Herren, 9 Sängerknaben zum Chor gehörten und 27 Herrenchorproben, 23 Damenchorproben, 21 Knabenchorproben, sowie 22 Gemeinschafsproben stattfanden. Die Chorproben fanden bis 1960 in der Overbergschule und in der Gaststätte Wessel - van Holt statt.
1955 löste sich die Knabenschola auf.

1957 verließ Josef Mömken Spellen, um an anderer Stelle als Küster, Organist und Chorleiter zu wirken. Anfang der 1990er Jahre kehrte er als Ruheständler in seine Heimat zurück und übernahm gerne Vertretungen für den Organisten und die musikalische Leitung beim MGV „Eintracht“ bis zu seinem Tod im März 2004.

Eine große Freude brachte nicht nur dem Chor, sondern der ganzen Gemeinde das Jahr 1957. Am 1. Dezember konnte die 18 Register umfassende neue Orgel in einer kirchenmusikalischen Andacht feierlich eingeweiht werden.
Das allerdings hatte sich nur verwirklichen lassen durch den intensiven Einsatz aller Mitglieder des Kirchenchores und der KAB, die im Rahmen einer Haussammlung in der ganzen Pfarrgemeinde die hierzu notwendigen finanziellen Mittel zusammentrugen.
Inzwischen hatte Martin Klinkenberg die Organisten- und Chorleiterstelle kommissarisch inne. Im Alter von 72 Jahren hatte er noch das Glück, als erster die neue Orgel zum Klingen zu bringen.

Unter Anton Liebrand, der am 1. April 1959 die Leitung des Chores übernahm, bekam der Chor neue Impulse. Trotz seines jugendlichen Alters versah er sein Amt mit großem Eifer. Anton Liebrand verließ im Jahre 1965 Spellen, um eine Küster- Organisten und Chorleiterstelle in Altenberge im Münsterland anzutreten.
Damit schien der Chor zunächst verwaist zu sein, doch der neue Pfarrer, Josef Galen, der vorher Kaplan in Kamp-Lintfort war, gewann für den Übergang seinen dortigen Freund Heiner Günster als Organisten und Chorleiter.

Dieser spornte den Chor zu großen Leistungen an und erweiterte den Liederschatz des Chores erheblich. Auf seine Initiative ist es zurückzuführen, dass kirchenmusikalische Andachten in unserer Pfarrkirche stattfanden. Im Jahre 1966 allein drei.
Überschattet wurde das überaus erfolgreiche Chorjahr 1965/66 von dem tragischen Tod des Sängers Leo Kurtz, der am 25.11.1965 durch einen Verkehrsunfall auf der Bundesstraße 8 bei Wesel im Alter von 37 Jahren ums Leben kam. Der Verstorbene war 27 Jahre als aktiver Sänger tätig.

Am 1. Juli 1966 wurde August Ribbrock aus Waltrop die Stelle als Küster, Organist und Leiter des Chores in unserer Pfarrgemeinde anvertraut.
Noch in diesem ersten Jahr seines Wirkens gründete er einen Kinderchor mit 15 Jungen und 20 Mädchen.
Unter seiner Leitung wurde die Gottesdienstgestaltung einmal im Jahr im Marien-Hospital Wesel zu einer festen Tradition.
In Folge des zweiten vatikanischen Konzils, dessen Umsetzung nach 1965 auch weitreichende Folgen für die Liturgie und damit auch die Kirchenmusik hatte, fiel ihm die Aufgabe zu, Gemeinde und Chor zur stärkeren „aktiven Teilnahme“ an der Liturgie zu führen.
Als eine weitere Konsequenz der Öffnung der Kirche durch das Konzil, wurden nun auch erstmals ökumenische Gottesdienste mit dem Evangelischen Kirchenchor Spellen musikalisch gestaltet.

Neben der eigentlichen Aufgabe des Kirchenchores wurde in diesen Jahren auch das gemeinsame öffentliche Auftreten des Chores mit den anderen Spellener Chören eingeführt, das über mehrere Jahre als das „Spellener Dorfsingen“ gepflegt wurde.

Im Protokollbuch können wir als statistische Daten lesen, dass 28 Sängerinnen und 19 Sänger den Kirchenchor bildeten.

Nachdem August Ribbrock 1975 Spellen aus beruflichen Gründen verließ und Egon Schmitz für kurze Zeit die Probenarbeit übernahm, kam am 1. September 1975 Josef Dyllong als Chorleiter in die Gemeinde, der wiederum als Küster und Organist tätig war.
Wie so oft galt auch für ihn: „Neue Besen kehren gut!“ und so gewann der Chor eine neue Ausdruckskraft, die letztlich dem musikalischen Können des Chorleiters zu verdanken war.

Neben den Chorleitern darf das Wirken der Vorstandsmitglieder, insbesondere des Vorsitzenden nicht vergessen werden, denn für das gute Miteinander einer solchen Gemeinschaft sind vor allem sie verantwortlich, in dem sie auch das gesellige Chorleben organisieren. Es wäre an dieser Stelle von zahlreichen Ausflügen, Feiern und Chorfahrten zu befreundeten Chören zu berichten, was aber den Rahmen sprengen würde.
Über 30 Jahre prägend für den Chor war die Tätigkeit von Heinrich Schulte-Loh, der am 27. November 1976 aus der Hand des Bezirkskantors Stier die Cäcilienmedaille des Allgemeinen Deutschen Cäcilienverbandes erhielt. Gewürdigt wurde damit seine Arbeit seit 1946 als Vorsitzender des Kirchenchores. Noch weitere 5 Jahre sollte er dann Vorsitzender des Chores bleiben. Nach der 35-jährigen Tätigkeit als Vorsitzender trat er 1981 für dieses Amt nicht mehr an.

Von den Sängerinnen und Sängern wurde er einstimmig zum Ehrenvorsitzenden ernannt.
Zum Nachfolger wurde Johannes Retterath gewählt, der den Chor auch in das Jubiläumsjahr 2009 führt.
Als Heinrich Schulte-Loh im Januar 1982 starb, hat er sich noch über seinen Tod hinaus durch eine nach ihm benannte Stiftung im Chor ein beredtes Denkmal gesetzt.

Als Chorleiter Dyllong sich 1986 nach Walsum St. Joseph beruflich veränderte, trat am 1. Januar 1987 Kurt Buckting aus Ork, mit 32 Jahren die Stelle des Chorleiters und Organisten im Nebenamt an.

Die 1980er Jahre brachten eine Vielzahl von ökumenischen Aktivitäten mit dem evangelischen Kirchenchor. So singen jedes Jahr am Buß- und Bettag und am Pfingstmontag beide Chöre unter einer Leitung, zu ökumenischen Gottesdiensten. Immer im Sommer setzt man sich bis heute gemeinsam auf die Fahrräder zu einem ökumenischen Chorausflug.

Üblich wurden in dieser Zeit auch zweitägige Chorausflüge, bei denen man beispielsweise Mosel, Nahe, Rhein und Weser ansteuerte und in den Orten, wo man Quartier nahm, auch einen Sonntagsgottesdienst mit gestaltete. Hierzu werden dann auch die „nichtsingenden“ Ehepartner eingeladen.

Kirchenchöre sind nie nur „Kulturträger“, sondern auch „Traditionsträger“.
Seit die Spellener Kirmes nicht mehr den Stellenwert im Dorfleben hat, wie bis in die 1960er Jahre, wo viele sich für den Kirmesmontag noch arbeitsfrei nahmen, ist es unser Kirchenchor, der die alte Kirmesmontagstradition pflegt, bei der sich Liturgie und Geselligkeit mischen.

In welchem Jahr die Pfarrkirche in Spellen Mitte des 15. Jahrhunderts eingeweiht wurde, kann heute niemand mehr sagen, fest steht nur, dass traditionell am Sonntag nach dem Fest des Evangelisten Lukas, das am 18. Oktober begangen wird, über Jahrhunderte hinweg die „Kirchweih“ oder „Kirchmesse=Kirmes“ in Spellen gefeiert wird.

Ende des 18. Jahrhunderts übernahm die Gemeinde die Verpflichtung für einen Gottesdienst am Kirmesmontag, in dem aller Verstorbenen der ehemaligen „Mutter Gottes Bruderschaft“ gedacht werden sollte.
Diese Bruderschaft hatte seit alters her den Zweck, für eine würdige Bestattung und das Totengedenken ihrer Mitglieder zu sorgen und wir dürfen davon ausgehen, dass wohl alle Gemeindemitglieder in ihr Mitglied waren.
Als der preußische Staat diese und eine Vielzahl anderer Bruderschaften in den 1770er Jahren auflöste, gelang es der Gemeinde dafür zu sorgen, dass ihr das Vermögen der „Mutter Gottes Bruderschaft“ zufiel und nicht an dem Staat.
Zum Ausgleich verpflichtete sie sich u. a. zu diesem Gedenkgottesdienst für die Verstorbenen, also einem jährlichen Requiem.

So versammeln sich bis heute jedes Jahr am Vormittag des Kirmesmontag die Gemeindemitglieder zum Gottesdienst, in dem die Männerschola des Chores das lateinische Requiem singt.
Nach der Messe trennen sich dann die Wege der Sängerinnen und Sänger, die in verschiedenen Wirtschaften kegeln und zu Mittag essen.
Alter Brauch ist es, dass für die Kosten die Gemeinde aufkommt.
Zum Kaffeetrinken treffen sich die Frauen und Männer dann am Nachmittag wieder.

In den 1990er Jahren bemühte sich die Sängerinnen und Sänger um einen neuen Standort ihres Chores in der alten Pfarrkirche.
Seit Mitte der 1950er Jahren war sang man, aus sogenannte „Chorecke“ neben der seitlich vom Altarraum stehenden Orgel. Beim Wiederaufbau der Kirche nach dem zweiten Weltkrieg hatte man sie, wohl auf Anregung von Pfarrer Theodor Jordans, an das südliche Seitenschiff der Kirche angebaut. Akustisch war und ist dieser Standort nicht befriedigend.

In vielen Kirchen findet Orgel und Chor Platz auf einer Bühne hoch über den Köpfen der Gemeindemitglieder im hinteren Teil der Kirche. Akustisch ist dies sicher eine gute Lösung, raumgestalterisch verbauen diese Bühnen allerdings oft den Turmbereich alter Kirchen und machen ihn zu einem „finsteren Loch“ und nehmen dem Kirchenschiff die Weite. Vor allem aber entspricht dieser Platz nicht dem Liturgieverständnis nach dem 2. Vatikanischen Konzil, das eine alte Tradition wieder aufnahm.

In den Kloster- und Stiftskirchen war der Ort der singenden Mönche und Scholen das Chorgestühl im Altarraum. Der Altarraum heißt daher auch „Chorraum“. Die „aktive Teilnahme der Gläubigen“ an der Liturgie, die nun nicht mehr Zuschauer einer heiligen Handlung am Hochaltar sein sollten, sondern an dieser aktiv teilhaben, verlangt daher, dass alle sich „um den Altar“ versammeln, der nun wieder seinen angebrachten Platz als Tisch in der Mitte der Kirche gefunden hat.
Die Spellener Kirche war allerdings immer eine Dorfkirche, die nie eine großen „Chorraum“ hatte. Schließlich fand man bei der Innenrenovierung Anfang des neuen Jahrtausendens einen Kompromiss. Nach dem im Turmbereich der Kirche die Bänke durch Stühle ersetzt wurden und für den Spieltisch der Orgel eine variable Anschlussmöglichkeit installiert werden konnte, singt der Chor von dieser Position. Akustisch ein Gewinn und gleichzeitig „schwebt“ er nicht über den Gemeinde, sondern ist Teil des Volkes Gottes, dass sich um den Altar versammelt hat. In Kauf nehmen muss der Organist, dass die Orgel mit einer kleinen Verzögerung erklingt.
Um diesen Umstand auszugleichen plant nun der Chor im 125 Jahr seines Bestehens die Anschaffung einer transportablen Chororgel bzw. Orgelpositiv.

1996 kam es auf Anregung von Kirchenchorpräses Pastor Kolks, der 1993 Pfarrer in St. Peter wurde, und durch den engagierten Einsatz des Vorstandes der Bürgerinteressengemeinschaft zu Erstellung einer CD, an der alle Spellener Chöre und Musikgruppen mit je zwei Stücken mitwirkten. Auf diesem Tonträger konnte sich der Kirchenchor als ein wichtiger Teil des „Singenden Dorfes Spellen“ präsentieren.

Präses Pastor Kolks hatte schon lange das Anliegen, auch jungen Leuten Zugang zur Kirchenmusik zu schaffen.
Anfang 2000 gelang es ihm, den jungen Organisten von St. Paulus und Studenten der Kirchenmusik an der Folkwangschule in Essen, Christoph Bartusek aus Duisburg, für die Leitung eines Jugendchores zu gewinnen.
Am 13. März 2000 startete das Projekt mit Erfolg. Nach einem Jahr umfasste der Jugendchor ungefähr 20 junge Sängerinnen und Sänger, als die Leitung an Michaela Jordans überging.
Mit viel Elan gestaltete der Jugendchor in diesen Anfangsjahren die Jugendmessen in St. Peter mit.
Mit Frau Michaela Klemm konnte im Jahr 2002 für die musikalische Leitung wiederum eine qualifizierte Musikerin gewonnen werden.
Nun probte der Jugendchor nicht mehr im vierzehntägigem Rhythmus, sondern wöchentlich.
Mit Frau Klemm entwickelte sich der Jugendchor zu einem Klangkörper, der sich neben dem neuen geistlichen Lied, Gospel und Muscialstücken auch an anspruchsvolle kirchenmusikalische Werke heranwagte.
Höhepunkte der vergangenen Jahre waren neben der musikalischen Gestaltung zweier Firmfeiern im Dom zu Münster sowie einer Friedenslichtaussendung im Xantener Dom, die Mitwirkung bei mehreren Oratorien in Wesel unter der Gesamtleitung des Regionalkantors Willem Winschuh.
Der Jugendchor war auch die Basis für mehrere Chorprojekte, zu denen Sängerinnen und Sänger „auf Zeit“ sich zusammenfanden, um als „Projektchor“ Werke zur Aufführung zu bringen, die einen kleinen Chor überforderten.

Inzwischen wechseln sich beide Chöre auch bei der Gestaltung der Gottesdienste an den Festtagen, bei Erstkommunion- oder Firmfeiern ab oder gestalten sie gemeinsam.

Anders als vor 50 Jahren wird es wohl selten zu einem bruchlosen Wechsel zwischen Jugendchor und Kirchenchor kommen, da Ausbildung und Studium außerhalb des Heimatortes oft dem Singen von jungen Erwachsenen in einem Chor eine Pause verordnen.
Der Chronist ist allerdings davon überzeugt, dass diejenigen, die einmal Freude an der Kirchenmusik gehabt haben, irgendwann wieder zu einem Chor stoßen werden, der „zum Lobe Gottes und zur Freude der Gemeinde“ Gottesdienste musikalisch gestaltet.

Im Jahr 2007, als der langjährige Chorleiter Kurt Buckting von Spellen wegzog und seinen Dienst nach 20 Jahren an Orgel und in der Chorleitung aufgeben musste, konnte mit Dr. Gerd-Heinz Stevens ein qualifizierter Kirchenmusiker gewonnen werden, der durch seine große Erfahrung als Kirchenmusiker im Bistum Essen und sein hauptamtliches Engagement in mehreren Chören, wiederum ganz neue Akzente setzt und den Chor vor neue Herausforderung stellt.
So etwas hält eine Chorgemeinschaft lebendig, die sich dann auch immer wieder freuen kann, dass neue Mitglieder in den vergangenen Jahren zu ihr stießen.

Natürlich kennt jeder Chor auch immer die Tatsache, dass Sängerinnen und Sänger kommen und gehen.Erfreulich ist aber auch, dass der Chor in seinen Reihen einige Mitglieder hatte und hat, die ihm über Jahrzehnte die Treue gehalten haben.
Besonders muss hier Herr Alfred Giesing erwähnt werden, der bereits seit über 70 Jahren aktives Mitglied des Chores ist.

Eine Chronik wie diese kann manche Höhepunkte, Ereignisse und Entwicklungen eines Kirchenchores über 125 Jahre aufzeigen. Sie ist aber nicht in der Lage das wichtigste erfahrbar zu machen, was einen Chor ausmacht, nämlich seine musikalische Entwicklung, die Veränderungen im Repertoire und den Wechsel im Musikgeschmack.
Ein Tonträger, der da Abhilfe schaffen könnte, wäre wünschenswert, aber für die meiste Zeit der 125 Jahre Kirchenchor in Spellen fehlten einfach die Möglichkeiten Musik aufzuzeichnen.
Darauf kam es aber den Sängerinnen und Sängern nie an.
Ihr Können haben sie immer in den Dienst der Gemeinde gestellt zur größeren Ehre Gottes.
Dafür dürfen wir ihnen dankbar sein.
Möge diese Aufgabe auch in den nächsten 125 Jahren immer wieder Menschen begeistern, das wünsche ich unserer Gemeinde und dem Kirchenchor St. Peter.

Pastor Wilhelm Kolks (2009 zum 125-jährigen Bestehen des Chores)