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< Buch von Pastor W. Kolks

Stille Zeugen des Weltkrieges

Ein Projekt für Voerder Bürgerinnen und Bürger:
Mein Vater traf einmal seine Mutter vor dem Kamin an. Es brannte ein Feuerchen und Oma war dabei, die Feldpost ihres gefallenen Mannes zu verbrennen. Sie wollte wohl einen Schlußstrich unter die Kriegserinnerungen ziehen. Mein Vater nahm die Briefe an sich, schließlich waren sie beinahe das Einzige, was ihm von seinem Vater geblieben war.
Daran muss ich heute denken, genau einen Monat, bevor wir des Kriegsendes vor 75 Jahren gedenken (ob und wie das Gedenken möglich ist kann man noch gar nicht absehen). Weil ich erst 22 Jahre nach dem Kriegsende geboren wurde, kenne ich den Krieg nur aus Büchern und Filmen. Meine Großeltern erzählten kaum davon.
Dennoch haben sich in meinem Haushalt einige stille Zeugen der Kriegszeit eingeschlichen. So z.B. die Babytrinkflasche meines Vaters, die die Oma beim Aufräumen in den Trümmern des zerstörten Hauses mit anderen kaputten Küchenutensilien in einen Bombentrichter im Hof warf. Ich habe sie durch Zufall später gefunden. Auch gab Oma mir ein altes Buch, dass sie unter Trümmern geborgen hatte. Ihr „Mutterkreuz“, das sie als Kriegerwitwe erhalten hatte, liegt heute in einer Ausstellung in Düsseldorf. Wahrscheinlich würde ich noch mehr solcher Stücke finden, schließlich bin ich – wie meine andere Oma – ein echter Jäger und Sammler. Etwas stolz bin ich auf eine Originalausgabe der Passion mit Bildern von Otto Pankok von 1936. Die Auflage wurde von den Nationalsozialisten eingestampft, weil die Bilder als „entartet“ galten. Aber offenbar hatte man nicht alle Exemplare vernichtet.

Anläßlich des Gedenktages des Kriegsendes vor 75 Jahren, möchte ich solche stillen Zeugen des Krieges entdecken und zum Sprechen bringen. Alltagsgegenstände, die von den Schrecken des Krieges erzählen, aber manchmal auch von hoffnungsvollen Momenten. Vielleicht werden ja auch in anderen Voerder Haushalten solche Gegenstände aus der Kriegszeit, Erbstücke von verstorbenen Eltern und Großeltern aufbewahrt, die eine Geschichte aus dem Krieg, von der Flucht, der Nazi-Herrschaft oder aus der Nachkriegszeit erzählen. Entscheidend für die Teilnahme ist nicht, dass die Dinge ursprünglich aus Voerde stammen. Sie sollten allerdings heute hier in Voerde sein.

Wer so etwas zu Hause hat, ist herzlich eingeladen, Kontakt aufzunehmen, die Geschichte des Gegenstandes und der Menschen aufzuschreiben und an Markus Gehling, Pastoralreferent, Tel.: 02855 923512 bzw. gehling@kreuzzeichen.de weiterzuleiten.

Die Gegenstände und die dazu gehörigen Geschichten sollen im Verlauf des Jahres 2020 in Voerde gezeigt und ausgestellt werden. Wann und in welchem Rahmen, das wird sich nach den Rückmeldungen zeigen. Bis zum Sommer soll die Materialsammlung erst einmal dauern. Es wäre wünschenswert, wenn die Gegenstände selbst bzw. Fotos davon für die Ausstellung leihweise zur Verfügung gestellt werden könnten.

Zu diesem Projekt gibt es auch ein Video bei Youtube:
https://www.youtube.com/watch?v=WZRiJoSL9Dg

Auch die NRZ hat sehr schön darüber berichtet:

 

Gesucht werden stille Zeugen des Krieges


Zum 75. Jahrestag des Kriegsendes sucht Pastoralreferent Markus Gehling Zeitzeugen und Gegenstände, die vom Alltag oder der Flucht berichten. Im Laufe des Jahres sollen die Geschichten präsentiert werden

Birgit Gargitter

Voerde Mit der Idee, zum 75. Jahrestag des Kriegsendes Zeitzeugen ihre Geschichte erzählen zu lassen, dazu Erinnerungsgegenstände aus den Zeiten rund um den Zweiten Weltkrieg auszustellen und sich darüber zu erinnern, ging Pastoralreferent Markus Gehling schon eine Zeit lang schwanger. „Es waren aber so viele Gedenkfeiern und andere Projekte ins Leben gerufen, dass ich meine Idee zurückhielt“, berichtet er. Da nun die Feierlichkeiten rund ums Kriegsende am 8. Mai ausgesetzt sind, kommt seine Idee wieder zum Tragen. Und so möchte er „Stille Zeugen den Krieges“ entdecken und zum Sprechen bringen. Alltagsgegenstände, die vom Schrecken des Krieges oder der Flucht berichten, manchmal aber auch von hoffnungsvollen Momenten.

Markus Gehling selber bezeichnet sich als „Jäger und Sammler“ der verschiedensten Objekte. Jahrzehnte nach Kriegsende geboren, habe er als Kind den Großvater nach seinen Erlebnissen als Soldat befragt, jedoch keine Antwort darauf erhalten. Der andere Großvater verstarb im Krieg. Seine Großmutter erzählte dem damals kleinen Jungen jedoch von Nazi-Zeit-Relikten, die man im tief im Garten des Hauses vergraben hatte, als die Briten kamen. „Als Junge kam mir da schon die Idee, auf Schatzsuche zu gehen und den Garten umzugraben“, sagt Gehling und lacht. Dazu sei es jedoch nicht gekommen.

Fündig wurde er dennoch Jahre später. Ein Kirschbaum im Garten war in die Jahre gekommen und musste gefällt werden. Gepflanzt wurde er einst auf einem zugeschütteten Bombentrichter, so hatte die Großmutter erzählt. Im Trichter hatte man zerbrochenes Geschirr und anderes, was aus den Trümmern des Hauses geborgen wurde, vergraben, Reste des Krieges also. Nun störte der Baumstumpf seine Mutter und sie bat ihn, den doch auszugraben. „Und so wurde ich fündig und kam doch noch zu meiner Schatzsuche“, erzählt Gehling. Zumindest eine alte Babyflasche, die wohl seinem Vater gehört haben musste, kam zum Vorschein. Für Gehling ein Schatz, den er nur zu gern aufbewahrte. Denn leider hatte die Großmutter vieles aus jener Zeit vernichtet, lediglich die Briefe seines Großvaters konnte Gehlings Vater vor dem Kaminfeuer retten.

Dabei seien gerade die Gegenstände aus dem Krieg, von der Flucht, der Nazi-Herrschaft oder der Nachkriegszeit und die damit verbundenen Geschichten ein wichtiges Erbe der Geschichte, so Gehling. Um solche Gegenstände dreht sich alles. „Wie viele Erinnerungen kommen bei den Menschen da hoch. Genau diese sind es, die ich notieren und die dazu gehörigen Gegenstände dann im Laufe des Jahres ausstellen möchte. Damit Menschen miteinander ihre Erinnerungen austauschen und ins Gespräch kommen.“

Die Geschichten müssen nicht nur von Zeitzeugen erzählt werden, viele leben nicht mehr, aber die Kinder und Enkel wissen zu erzählen. Die Gegenstände müssen auch nicht aus Voerde stammen, allerdings sollten die Geschichtenerzähler Voerder sein. Auch sei es denkbar, dass andere Flüchtlinge aus Kriegen, die derzeit noch stattfinden, etwas aus ihrer Heimat gerettet haben und erzählen möchten: Sie sind willkommen beim Projekt mitzumachen. Hauptsächlich allerdings geht es um die Erinnerungen aus dem Zweiten Weltkrieg.