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Licht der Hoffnung - NRZ-Kolumne

Die NRZ-Leser unter uns haben es vielleicht schon bemerkt. Jetzt gibt es jeden Tag eine Zeitungsspalte mit Texten, die in der Krisenzeit Mut machen wollen. Verfasst von den katholischen und evangelischen Seelsorgern im Dekanat. Die dachten sich: „Problematisiert wird auf allen Kanälen. Was vielen Lesern aber gut tun würde, sind Worte, die ihnen helfen, die inneren Widerstandskräfte zu mobilisieren und kreativ mit den Einschränkungen und Herausforderungen umzugehen.“

Das kann ein geistliches Wort mit biblischem Bezug sein, aber auch eine persönliche Erfahrung, eine Geschichte, ein Beitrag, der uns über WhatsApp, facebook oder als Email erreicht hat, der Text eines Liedes, der Rat eines Psychologen, das Zeugnis oder die Selbstaussage eines bekannten Zeitgenossen – der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt!

Wir werden die Texte regelmäßig auch hier veröffentlichen.

Karl-Heinz Tackenberg, ev. Pfarrer (i.R.) in Dinslaken

Von morgens bis abends „corona“, das Fernsehprogramm ergänzt durch Sondersendungen, kein Telefonat und kein Gespräch ohne ... Man kann sich kaum davon lösen.

Von J. B. Metz stammt der Satz: “Unterbrechung ist die kürzeste Definition von Religion.” Religion und Glaube stehen sperrig im Alltag mit dem Sonntag als arbeitsfreiem Tag und mit besonderen Festtagen. Sie laden zur Ruhe und Sammlung ein in Zeiten von Hektik und Stress. Glaube ruft in einer Zeit des oft rücksichtslosen Glücks des Einzelnen zur Solidarität auf. Er bringt Gott ins Spiel, wenn Menschen in ihrem eigenen Denken verstrickt sind und spricht von Hoffnung gegen lähmende Hoffnungslosigkeit.

In der Bibel ermutigt so der Prophet Hesekiel in einer Situation tiefster Verzweiflung: ‚Gott wird neues Leben entstehen lassen, Bäume werden wachsen.‘ Im Vertrauen auf Gottes Hilfe durchbricht er die Lähmung der Menschen. Wir Christen hören von Ostern: Verzweifelte, enttäuschte Menschen spüren neues Leben, gehen neue Wege gestärkt durch die Kraft des Auferstandenen! Verzweiflung wird unterbrochen: Denk neu, sieh neben dem Zerstörten und Zerbrochenen das Mögliche, den weiteren Weg.

Das brauchen wir jetzt: Zuspruch als Unterbrechung, der uns aus der Lähmung herausreißt. Wie das geht? Im Gebet können wir Gott unsere Gedanken sagen und uns von ihm etwas sagen lassen. Er unterbricht die Gedanken, an denen wir sonst festhängen. Welche Hilfe kann das Vater Unser sein! Unterbrechungen brauchen die Politiker mit Bildern von etwas Neuem, das nicht das Alte wiederholt. Sie brauchen Zeiten ohne Fernsehkameras um nachzudenken und vernünftige Entscheidungen zu fällen. Unterbrechungen brauchen Pflegerinnen und Pfleger zum Luftholen, als Ermutigung zum Weitermachen. Wir alle müssen jetzt alten Egoismus durchbrechen und rücksichtsvoll eine gute gemeinsame Zukunft planen. Unterbrechungen brauchen Menschen in den Zimmern der Senioren- und Pflegeheime oder in ihren Wohnungen, wenn sie Angst haben oder ihnen die Decke auf den Kopf fällt. Wir brauchen sie alle, damit wir nicht der Verzweiflung folgen.

Gönnen wir sie uns oder schenken sie anderen. Es tut gut! Lassen wir uns von dem Gott der Hoffnung unterbrechen, der zu uns spricht: Ich bin und bleibe bei euch alle Tage. Ich wünsche Ihnen solche Unterbrechungen!

Heiko Dringenberg, ev. Pfarrer in Walsum

Türen zu, alles dicht, wenig, was noch wie gewohnt läuft:
Lock down. Ein neues Wort, in einer Reihe mit anderen:
Systemrelevanz, Risikogruppe, Verdoppelungszeit und R-Faktor.
Die Seuche hat über neue Begriffe auch unser Denken infiziert.
Jeden Abend der Corona-Ticker, Virologendebatte statt Bundesliga,
Mundschutz-Vermummte im Supermarkt, Ruck-Zuck-Bestattungen unter blauem Frühlingshimmel,
irre Verschwörungstheorien im Netz.
Menschen im Seniorenzentrum und Behindertenheim seit Wochen ohne Besuch,
andere in Existenznöten: Kurzarbeit, und keiner weiß, wie lange, arbeitslos, die Firma pleite.
Schwere Zeiten, und andere Länder hat es noch härter getroffen.
Ein Albtraum, aber er wird ein Ende haben.
Nicht heute, nicht morgen, vielleicht erst in ein, zwei Jahren.
Wie wird sich dann die große, weite Welt, wie unser kleiner Alltag verändert haben?

Wir schreiben den 15. Mai 2021 und werfen den Blick zurück:
Der Impfstoff ist da. Früher, als das die Experten vor einem Jahr angenommen haben.
Dank einer weltweiten Zusammenarbeit von Wissenschaft und Forschung konnte der Stoff, aus dem die Träume einer Corona-freien Welt sind, gefunden werden.
Erleichterung rund um den Erdball.
Und mit dem Erfolg wuchs die Erkenntnis: es geht nur gemeinsam, nicht gegeneinander.
Wenn eine winzige Dornenkugel namens Corona, tausendfach leichter als eine Schuppe, tausendfach dünner als ein Haar sich nicht um die Unterschiede von Konfession und Herkunft, von Hautfarbe und Geschlecht schert, wenn sie weder vor reich noch arm, weder vor einheimisch noch fremd, weder vor alt noch jung Halt macht, was zählen da noch Schlagbäume, Grenzsteine und unsere Schubladen im Kopf?
Die Welt ist ein Dorf, dessen Zukunft davon abhängt, dass die Völkerfamilien nicht übereinander herfallen, sondern Aufgaben und Herausforderungen so anpacken wie das im Kampf gegen Corona geschah. One world, das hat 2021 einen anderen Klang als im Vorjahr.
Als uns Corona um die Ohren haute, wie verwundbar das Leben ist und wir nicht die Herren, sondern nur Teil der Schöpfung sind, lernten wir die drohende Klimakatastrophe mit anderen Augen sehen. Die Saat von Fridays for future ist auf fruchtbaren Boden gefallen. Nachhaltigkeit ist als Thema in Wirtschaft, Handel und Industrie angekommen.
Die hohe Politik hat gemerkt, was Schlafmützigkeit in Sachen Digitalisierung und Investitionsstau in Bezug auf Bildung und Infrastruktur anrichten und steuert mit aller Kraft um.
Wir haben Disziplin entwickelt, Rücksicht geübt und für die Schwachen Einschränkungen in Kauf genommen. Und am Ende haben wir die Herausforderung bestanden.
Im Vermissen des Alltäglichen und Selbstverständlichen ist uns sein Wert klar geworden. Zusammen sind wir stark. So stark, dass wir auch schwere Zeiten meistern.
Ach ja, und noch eins: den Sprücheklopfern und großen Vereinfachern traut niemand mehr über den Weg. Als Erster musste der dicke Blonde im Weißen Haus seinen Platz räumen und auch anderswo wackeln die Stühle. Die Seuche hat uns wachgerüttelt.
Wir haben verstanden.

Hannah Maas, ev. Pfarrerin in Hünxe - 12.05.2020

Letzte Woche sah ich einen Mann, der freihändig auf einem Fahrrad fuhr und erinnerte mich daran, wie wir dies als Kinder und Jugendliche auch getan haben: ausprobieren, wie lange man das Gleichgewicht halten konnte, bis man wieder zum Lenker griff. Ähnliches wurde im Bus versucht: wie lange konnte man im Gang stehen, ohne umzufallen oder an den Haltegriff zu packen?!
Manches, was in diesen Tagen geschieht, erinnert mich an diese Situationen: auszutarieren, wie lange etwas funktionert, bis man wieder zu einer rettenden Sicherheit kommt? Verantwortliche Öffnungen zu ermöglichen, ohne über das Ziel hinauszuschießen. Nachjustieren, wenn man merkt, dass man in die falsche Richtung entschieden hat. Dann erneut die Sicherheit loslassen, um auszutesten, wie lange man es diesmal aushält.
Und dieses Ausprobieren fordert uns alle im eigenen Bereich, wo man entscheiden muss, mit wem und mit wie vielen man Kontakt hat? Trifft man die Großeltern und die lang vermissten Freunde schon, oder besser noch nicht? Bestreikt man das Gucken der Bundesliga, weil man es nicht richtig findet, dass dort Öffnungen möglich sind, oder freut man sich über die Abwechslung am Wochenende? Lässt man Gemeindegruppen in unseren kirchlichen Gebäuden zu, wo nun auch Gottesdienste in den Kirchen möglich sind, oder wartet man lieber noch?
Ich fühle mich im privaten wie im kirchlichen Leben gerade oft wie „freihändig auf dem Rad oder im Bus unterwegs“. Da ist mein Gefühl, es muss fast jeden Tag irgendetwas neu bewertet werden, was gestern noch kurze Gültigkeit hatte. Es gibt sooft Argumente für beide Seiten, und irgendwann muss ich mich festlegen in dem Wissen, dass die Alternative auch ihre Berechtigung gehabt hätte.
Manchmal wackle ich und muss im übertragenen Sinne nach dem Lenker greifen, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Und wahrscheinlich müssen wir dieses Suchen nach der Balance noch länger miteinander durchstehen. Ich wünsche uns im Kleinen wie im Großen dafür ein gutes Zeitmaß, wann wir im übertragenen Sinne „freihändig unterwegs“ sind, und wann wir uns daran erinnern, dass manchmal auch der sichernde Griff nach dem Lenker die bessere Entscheidung ist.

Thomas Holland, kath. Diakon aus Voerde - 9./10.5.2020

Die Zeit bis zum „Wonnemonat“ Mai, hatte ich mir anders vorgestellt, sozusagen „Coronafrei“.
Mit Freunden weiter-pilgern über den ersten Mai, eine Woche Urlaub in Tirol.
Der Ausblick, Mitte des Jahres, mit vielen Kolleg(inn)en, in ein anderes Unternehmen zu wechseln.
Viele Gespräche, auch als „Diakon mit Zivilberuf“, in der Firma waren eine Folge.
Das Wegbrechen von Gemeindegottesdiensten, Taufen, Trauungen als Folge von Corona.
Das Zugehen auf Ostern und die Frage: „Wie feiern wir Christen Ostern 2020?“
Seelsorge mehr über Telefon, WhatsApp, Skype, etc..
Wenn Sie diese Zeilen nun lesen, haben Sie und ich es bis hierhin mehr oder weniger gut geschafft.
Auch und gerade ohne einen erlebten Mangel an Nahrungsvorräten oder Toilettenpapier ☺.
Wir sind im Mai angekommen und ich bin dankbar dafür – GOTT SEI DANK!
Den Pilgerweg werden wir nächstes Jahr fortsetzen, den Mai-Urlaub mehr oder weniger Zuhause verbringen. Den neuen Job im Juni mit Engagement, Zuversicht und Vertrauen angehen.
Der Monat Mai ist in der kath. Kirche auch der Monat der Maiandachten.
Zeit, Dinge in den Blick zu nehmen, die Beziehung von Maria zu Gott, zu Jesus, zu uns Christen.
Fragen und Antworten zu finden, was das für uns und unsere Beziehung zu Gott, zum Auferstandenen bedeutet.
Zudem die Chance überhaupt auf die Dinge, auf sich selbst zu schauen, Stärkung zu erleben für den weiteren Lebens- und Glaubensweg. Achtsam sein.
„Achtsamkeit beinhaltet, auf eine bestimmte Weise aufmerksam zu sein: nämlich bewusst; im gegenwärtigen Augenblick und ohne zu urteilen.“
Soweit die Definition - klingt erstmal simpel, ist aber gar nicht so einfach.
Eine Studie besagt, dass die Menschen im Durchschnitt 47% ihrer Zeit nicht im „Hier und Jetzt sind“.
Die Hälfte unserer Zeit und damit ist die Zeit gemeint, in der wir wach sind, sind wir in Gedanken woanders, in einer anderen Zeit, meistens in der Vergangenheit oder in der Zukunft.
Achtsamkeit soll sozusagen trainieren, wieder im Hier und Jetzt zu sein, weil, wenn wir ehrlich sind, ist dies der einzige Moment, in dem wir leben.
Der Psychotherapeut Viktor E. Frankl (Überlebender von vier KZ’s)hat etwas sehr treffendes gesagt:
„Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.“
Die Evangelien, liefern uns Beispiele von Reiz und Reaktion. Jesus hat uns durch seine Reaktionen auf
Reize immer wieder auch ein Beispiel geschenkt, wie wir in seiner Nachfolge reagieren können.
Jesus handelte oft im Gegensatz zur Gesellschaft seiner Zeit und immer wieder auch im Gegensatz zu
seinen Jüngern: Er verurteilte die Ehebrecherin nicht - Er ließ die Kinder zu sich kommen - Er schickte
die Menschen nicht weg, sondern gab ihnen zu essen. Beispiele, die mir zeigen, wie Jesus Achtsamkeit übt, ohne die Vergangenheit oder die Zukunft auszublenden.
Ganz im Hier und Jetzt zu sein – gerade in der (Corona-)Krise.
Achtsam zu sein in der Nachfolge Jesu Christi, so gut ich es eben kann, ist mir Ansporn auch das Heute und Morgen anzunehmen, in der Gewissheit, dass die Zusage Jesu „Ich bin bei euch!“, die
Zusage Gottes „Ich bin der, Ich bin da!“ jedem Menschen bedingungslos zugesagt ist.

Lucia Broeckmann, kath. Pastoralreferentin in Walsum - 8.5.2020

Stellen Sie sich vor, Sie stehen auf einer Landstraße. Einen Teil des Weges sind Sie schon gegangen. Wenn Sie nach vorne schauen und mit den Augen der Straße folgen, reicht ihr Blick bis zum Horizont. Hinter dem was das Auge wahrnimmt, geht es noch weiter.
Eine lange Wegstrecke, nicht absehbar wie lang sie sich erstreckt. So fühle ich mich momentan auf dem Corona-Weg.
Zunächst gab es die ersten Hürden zu nehmen, Organisation des Alltages, immer neue Nachrichten, Einfinden in ungewohnte Situationen, sich um Andere kümmern und sorgen. Erste Erfolge. Nun wird mir immer deutlicher, es ist noch ein langer Weg.
Von „Beppo, dem Straßenkehrer“ wird im Buch „Momo“  von Michael Ende erzählt: „Wenn er so die Straßen kehrte, tat er es langsam, aber stetig. Bei jedem Schritt einen Atemzug und bei jedem Atemzug einen Besenstrich. Dazwischen blieb er manchmal ein Weilchen stehen und blickte nachdenklich vor sich hin. Und dann ging es weiter: Schritt – Atemzug – Besenstrich.“
Ich bekam dieses Buch zu meiner Firmung geschenkt, und entdecke in den Jahrzehnten die darauf folgten, immer wieder die darin einfach ausgedrückten Lebenshilfen. Auch die der kleinen „Momo“, mit der Beppo in dieser oben genannten Szene spricht. Denn Momo besaß die Fähigkeit zuzuhören wie kein anderer. Beppo erzählt ihr von den manchmal sehr, sehr langen Straßen, die er zu kehren hat.
Und damit hilft mir Beppo, der Straßenkehrer auf die Sprünge. Nicht auf die Länge des Weges schauen, sondern auf das was vor mir liegt. Der nächste Schritt, der nächste Atemzug: der heutige Tag und eine kleine Freude; eine Aufgabe und ihre Erledigung; gute Nachrichten und ein gefühlter Dank; etwas Schweres und die heilsamen Gesten der Anteilnahme anderer; die Sorge vor Gott tragen und kleine Schritte des Vertrauens gehen.  
„Man darf nie an die ganze Straße denken, verstehts du? Man muss nur an den nächsten Schritt denken, an den nächsten Atemzug an den nächsten Besenstrich und immer wieder nur an den nächsten.“ So erzählt Beppo seiner Freundin Momo.
So will auch ich es mir von Beppo erzählen lassen. Und ich übe das Vertrauen in den Weg, den wir alle nicht alleine gehen. Im Vertrauen auf mich und Gott, der mir die Stärke gibt, die ich brauche: Schritt für Schritt - Atemzug für Atemzug; und nicht alles auf einmal schaffen müssen.

Sabine Röser-Blase, ev. Pfarrerin in Dinslaken - 7.5.2020

Möglichst keine Berührung – das trifft uns hart, besonders diejenigen, die nicht in häuslicher Gemeinschaft mit einem anderen Menschen zusammenleben. Das trifft uns Christ*innen hart, weil wir all das, was uns wichtig ist – Taufe, Abendmahl, Segnung und Salbung, also die spürbaren Zeichen der Liebe Gottes -  zurzeit nicht leben können. Keine Berührung und sich doch nahe sein, das ist eine riesige Herausforderung.
„Hallo und Guten Tag!“ – Auch das Begrüßen ist schwierig geworden in Corona-Zeiten. Händeschütteln ist verboten, Umarmen geht gar nicht, freundliches Schulterklopfen auch nicht. Was haben wir für Möglichkeiten, um auszudrücken, dass wir uns bewusst begegnen, ohne uns zu nahe zu kommen?
Oftmals ist es ein freundliches Winken aus der Ferne geworden verbunden mit den Worten „Fühl dich gedrückt.“ – okay, das geht. Oder ein Auf-den-Tisch-klopfen; das hat mir ehrlich gesagt noch nie gefallen. Aber sich mit den Ellenbogen anstoßen? Abgesehen davon, dass der empfohlene Mindestabstand dabei nicht eingehalten wird – wollen wir das wirklich? Ich bin sehr gespannt, wie sich unsere Begrüßungsrituale entwickeln werden. Auch das mittlerweile bei uns beliebte französiche Küsschen rechts/ Küsschen links wird es wohl so schnell nicht wieder geben.
Tja, was dann? Vielleicht sollten wir mal ausprobieren, uns voreinander zu verbeugen, so wie in Indien, mit aneinandergelegten Handinnenflächen vor dem Herzen. Eine Geste drückt ja auch einen Inhalt aus. Namasté: „Ich verbeuge mich vor dir. Der göttliche Funke in mir grüßt das Göttliche in dir.“ Was für eine Aussage! Ich begegne dir in der respektvollen Haltung, dass ich mich verneige vor der Größe Gottes und anerkenne, dass in mir und in dir der Geist Gottes wohnt und uns beiden dieselbe Würde verleiht. Wir sind gleichberechtigt. Meine Seele grüßt deine Seele. Wie wundervoll!
Die Corona-Krise ist eine Chance, dass sich unsere Gesellschaft verändert. Wenn dabei rauskommt, dass aus dem Ellenbogen-Anstoßen eine sich schätzende Verbeugung voreinander wird – dann wären wir dem Himmel auf Erden ein Stück näher.

Petra Roth, kath. Pastoralreferentin in Dinslaken - 6.5.2020

Seit diesem Wochenende finden wieder Gottesdienste, an denen eine bestimmte Anzahl Menschen teilnehmen kann, statt, und die Schulen sind zumindest für die älteren Schüler geöffnet.
Auch das Einkaufen ist schon wieder in vielen Geschäften möglich.
Es scheint, dass nach und nach ein Anflug von „Normalität“ eintritt.
Sicher sind die meisten über diese Lockerungen froh, auch wenn sie mit Abstandsregelungen und Maskenpflicht verbunden sind.
„Er führt mich hinaus ins Weite“, so lobt der Verfasser eines Liedes, das in der Bibel steht, Gott. (Ps 18, 20). Für mich ist dieser Vers gerade aktuell eine doppelte Verheißung:
Zum einen darf ich jetzt, wenn auch noch vor- und umsichtig hinaus in die Weite, an die frische Luft, in die Natur. Heraus aus Kontaktsperre und Homeoffice.
Zum anderen heißt „Weite“ aber auch Abstand. In vielen Lebenssituationen tut Nähe gut. Jetzt ist es aber der Abstand, der die Gesundheit schützt.
Die Zeit des Abstandes kann jedoch auch eine Übung sein, Abstand von den Dingen zu finden, die mich sonst, in meinem herkömmlichen Alltag, beschäftigen, von denen ich manchmal sogar gefangen bin.
Wir kennen es vom Sehen her: Manches lässt sich nur mit einem gewissen Abstand erkennen. Auch hierfür können wir die Zeit jetzt nutzen.

Jan Zechel, ev. Pfarrer in Dinslaken - 5.5.2020

Ein schwarzer Schwan

Durch die Kontaktsperre und die Osterferien fielen alle meine Abendsitzungen aus. Dadurch habe ich wieder stärker wahrgenommen, wie lange es noch hell ist. Ich gehe wieder joggen. Gerne am Rheindeich entlang. Wunderschöne Sonnenuntergänge. Menschen sind einzeln, mit Hund oder zu zweit unterwegs. Genießen die Luft, das bisschen Gemeinschaft, den Blick, den Fluss. Und in den Walsumer Rheinauen dümpeln weiße Schwäne.

Natürlich weiße Schwäne. Weiß gehört zum Schwanssein. Wesenhaft. Dabei muss ich an ein Buch denken, was ich gerne gelesen, aber wahrscheinlich nur zu einem Drittel verstanden habe „Der Schwarze Schwan: Die Macht höchst unwahrscheinlicher Ereignisse“. Ein Buch des Publizisten und Börsenhändlers Nassim Nicholas Taleb. Nach Taleb ist ein „Schwarzer Schwan“ ein Ereignis, das selten und sehr unwahrscheinlich ist. Dafür hat so eine Unwahrscheinlichkeit extreme Konsequenzen, führt aber auch oft dazu, dass Menschen im Nachhinein einfache und platte Erklärungen für diese Ereignisse finden. Manchmal reicht auch schlicht ein Sündenbock und alle machen weiter wie vorher.

Als Schwarze Schwäne nennt Taleb zum Beispiel die Entdeckung der antibakteriellen Eigenschaften von Penizillin und die Entdeckung Amerikas auf der Suche nach einem neuen Weg nach Indien. Taleb schreibt diese Ereignisse einer zufälligen Beobachtung von etwas ursprünglich nicht Gesuchtem zu, das sich als neue und überraschende Entdeckung erweist. Ein Leben in der Corona-Pandemie ist sicher so ein Schwarzer Schwan. Unvorhersehbar im Zeitpunkt des Auftretens, der Dauer und Intensität. Die Welt hält inne und meine Biographie schreibt sich weiter.

Ich bin gespannt, welche neuen Entdeckungen in unseren Lebensläufen künftig die Richtung bestimmen? Wo wir den Glauben verloren oder Gnade entdeckt haben; wo wir geklagt haben und wann wir erleichtert aufatmen können?

Im Moment fallen noch Sitzungen aus. Ich gehe wieder joggen. Gerne am Rheindeich. Wunderschöne Sonnenuntergänge. Es sind noch Menschen einzeln, mit dem Hund oder zu zweit unterwegs. Genießen die Luft, das bisschen Gemeinschaft, den Blick, den Fluss.
Am Ende meines Laufes denke ich beim Kaltgetränk daran wie Jesus sagt: „Kommt Alle zu mir, die ihr erschöpft und belastet seid, ich will euch erfrischen.“

Werner Laslop, kath. Pastor in Dinslaken - 4.5.2020

In dieser Zeit der Corona-Pandemie ist es für viele Menschen schwer mit ihrem Leben zurechtzukommen. Ich denke dabei an die Menschen, bei de-nen die Krankheit einen schweren Verlauf nimmt; an die Angehörigen, die sich Sorgen machen, an die alten Menschen, die in ihrer Einsamkeit einge-schlossen sind, an die Familien, die auf kleinem Raum leben müssen, an diejenigen, die finanziell oder beruflich an ihre Grenzen kommen. Verges-sen werden sollen auch die nicht, deren berufliche Arbeit belastend und auch gefährlich ist.
Diesen Menschen, aber auch uns allen will ich heute das Bild von Jesus als dem „Guten Hirten“ aus dem Evangelium (Johannes, Kap. 10, Verse 1-10) des (katholischen) Gottesdienstes vom Sonntag morgen vor Augen stellen. Dieses Bild ist aber nicht konfessionell begrenzt; es ist noch nicht mal rein christlich; es ist zunächst einmal biblisch. Es kommt auch nicht nur im Evangelium vor, sondern auch schon im Alten Testament.
Jesus als der gute Hirte, der jeden einzelnen Menschen mit seinem Namen kennt. Ich stelle mir das bildlich vor: Er schaut mich jetzt an, er weiß, wie es mir geht, was mich gerade bewegt. Er weiß um meine Sorgen, meine Fragen, meine Ängste, meine Schwierigkeiten, das, was mich in dieser Zeit belastet. Der letzte Satz im Evangelium ist für mich der Entscheidende: „Ich bin gekommen, damit ihr das Leben habt, und es in Fülle habt“.
Nach „Leben“ sehnen sich in dieser Zeit ja viele Menschen. Nicht nur die, deren Leben durch Corona bedroht ist. Sondern auch die Menschen, die in ihrer Bewegung, ihrer Freiheit, ihrer Berufsausübung, … eingeschränkt sind.
Leben in Fülle – was bedeutet das? Zunächst einmal nicht, die Wirklichkeit zu leugnen oder auf das Leben nach dem Tod zu vertrösten. Jesus möchte, dass unser Leben schon hier gelingt und sinnvoll ist, trotz aller Erfahrungen von Leid und Not. Trotz aller Einsamkeit und Angst. Trotz Corona! Jesus selbst ist vor dem Leid nicht davon gelaufen; er hat es buchstäblich erlitten und durchlitten. Er ist an Ostern zu neuem Leben auferstanden. Viele Men-schen finden jetzt neuen Sinn für ihr Leben, auch im Dienst an und für an-dere, erkennen und erfahren neu, was für sie wichtig und wertvoll ist. Als Menschen und als Christen können wir dazu beitragen, dass andere Anteil erhalten an diesem „Leben in Fülle“.

Ralf Bröcker, ev. Gemeindepädagoge in Dinslaken - 2./3.5.2020

„Endlich zurück zur Normalität!“ Wie gerne würde wir heute Abend gemeinsam in den Mai tanzen. Wie gerne würden wir morgen am Feiertag mit dem Freundeskreis grillen. Aber leider wird da nichts draus. Wir werden uns weiterhin an die Abstandsregelungen halten. Vielleicht sind wir teilweise verärgert über diese Anordnungen. Aber letztlich akzeptieren wir die Bestimmungen zur Corona-Eindämmung, denn die Regeln sind sinnvoll. Sie schützen uns und unsere Mitmenschen. Deshalb sind wir bereit uns für das Wohl der anderen einzuschränken. Solcher gesellschaftlicher Zusammenhalt zeigt sich derzeit häufig auch an andere Stelle: Es gibt Einkaufsangebote für ältere Menschen. Selbstgenähte Masken werden an Nachbarn, Freunde und Kollegen weitergegeben. Unser Miteinander hat sich geändert. Lange Zeit sah ich in unserer Gesellschaft vor allem die Wertmaßstäbe: „Größer! Schneller! Weiter!“ Lange Zeit rutschte unser Handeln immer mehr in einen Raubtierkapitalismus ab, der uns unter anderem den Klimawandel bescherte. Doch in dieser Coronakrise staune ich und freue mich über viele Formen der gegenseitigen Unterstützung.
Als Jesus nach dem wichtigsten Gesetz gefragt wurde, antwortet er: „Liebe Gott mit deinem ganzen Herz! Liebe dich selbst! Liebe deinen Mitmenschen genauso!“ In der Coronakrise sind wir diesem Gebot Jesu ein wenig näher gekommen. Wir geben mehr Liebe weiter und wir bekommen mehr Liebe geschenkt. Wir entdecken: Jesus Liebesgebot ist letztlich keine Forderung an uns sondern ein wunderbares Geschenk.
„Endlich zurück zur Normalität?“ Ich sehne mich nach der Normalität, den Din-Tagen, dem Besuch im Restaurant oder Kino. Ich sehne mich aber auch nach einem Miteinander voller gegenseitiger Achtung. Diese gegenseitige Wertschätzung möchte ich mit Ihnen gemeinsam in eine neue Normalität tragen. Wenn wir wieder dichtgedrängt im Fußballstadion stehen, wenn wir Ältere wieder ohne Sorge in den Arm nehmen werden, dann lassen sie uns nicht vergessen: Wir können gegenseitige Wertschätzung. Ein Leben mit Jesu Liebesgebot schränkt uns nicht ein, es macht uns alle reich.

Kirsten Thalmann, kath. Pastoralreferentin in Walsum - 30.4.2020

„Freude ist überall. Es gilt nur, sie zu entdecken!“… eine alte Weisheit von Konfuzius, dem großen chinesischen Philosophen. Eine Form der Freude ist die Vorfreude… und normalerweise würde ich mich in diesen Wochen gewaltig vorfreuen auf meinen Urlaub. Doch Corona & Co. machen mir und vielen anderen derzeit einen Strich durch die Rechnung. Auf Urlaubsreisen habe ich mir über die Jahre ein Ritual angewöhnt: allabendlich zehn Dinge und Erlebnisse aufzuschreiben, die ich im Tagesverlauf wahrgenommen, über die ich mich gefreut habe. Diese Art des Tagesrückblickes und der Reflektion haben mir Gründe für Dankbarkeit vor Augen geführt und sensibilisiert für Dinge, die ich sonst vielleicht nicht wahrgenommen hätte. Mit Blick auf die Pandemie und allen ihren Herausforderungen kann eine kleine oder große Freude-Infusion richtig gut tun. Quellen der Freude wird es auch im Alltag mit Corona geben! Die kleinen und großen Erfahrungen, Momente, Lichtblicke, Hoffnungsmomente, in denen wir freudvolles erfahren. Darin liegt eine Kraftquelle, die wir nutzen können. Augen, Ohren, Nasen und Herzen auf!
Zum Stichwort „Freuen“ und Bibel fällt mir ein Wort des Propheten Nehemia ein:  „Seid nicht bekümmert. Lasst den Mut nicht sinken, denn die Freude am Herrn gibt euch Kraft.“ (Neh 8,9f)     Mein Glaube und die Freude, die ich mit Gott und im Glauben an ihn erfahre, haben mein Herz schon oft erfüllt mit vielen Kleinigkeiten und Augenblicken, die mein Leben schöner und leichter machen. Und so nehme ich mir vor, nicht bekümmert zu sein über die Pläne, die in diesem Jahr nicht umgesetzt werden können, sondern im Hier und Jetzt zu leben. Ich werde mich jetzt allabendlich hinsetzen und rückwärts durch den Tag gehen. Ob sich wohl schöne zehn Dinge oder Freudenmomente finden werden? Was könnte das sein? …vielleicht ein unerwarteter netter Anruf, ein Lieblingslied im Radio, der Schmetterling auf den Balkonblumen, bunte Steinschlangen mit Botschaften im Gras oder ein Regenbogengruß in einem Fenster. Vielleicht werden es nicht immer zehn Dinge… vielleicht an manchen Tagen nur fünf. Aber es werden Dinge sein, die zählen, die mir Freude bringen und mich einen Tag weiter bringen in diesen schwierigen Monaten der Pandemie. Vielleicht mögen Sie sich mir anschließen? Und vielleicht suchen Sie sich jemanden, der mitmacht und mit dem Sie teilen und sich austauschen können. Ich wünsche Ihnen freudvolle und kraftspendende Entdeckungen!

Gerhard Greiner, ev. Pfarrer in Dinslaken, Flüchtlingspfarrer i.R. - 29.4.2020

Liebe Leserinnen und Leser,
ich möchte Ihnen eine nicht so bekannte Trost -Geschichte aus dem Alten Testament nacherzählen:

Die Geschichte handelt vom Propheten Jeremia, als die Babylonier vor Jerusalem standen, um die Stadt einzunehmen. Jeremia forderte zur Kapitulation auf. Der jüdische König, mit Namen Zedekia, der Gerechte, war ein schwacher König. Er hatte eine gewisse Zuneigung zum Propheten und unternahm deshalb nichts. Sein Hofstaat aber forderte, Jeremia zu töten. In seiner Schwäche sagte er: ..er ist in euren Händen.“ Jeremia wurde in eine Zisterne geworfen, einer Kloake, wo alle Abwässer der Stadt zusammenkamen. In seinem Roman von 1938 „Jeremias, höret die Stimme“ beschreibt Franz Werfel diese Szene und fragt: „Wie aber sollte er in diesem Pfuhl, in diesem Grabe…die Nacht überstehen…?“ Nach Werfel tat der Prophet etwas scheinbar Unsinniges. Er sang ein Lied zu Gott; ein gesungenes Gebet. Einige Zeilen daraus lauten: „ Mein lauernder Bär bist du, mein Löwe im Verhau. Zermalmt hast du mich, zum Entsetzen gemacht…Muss ich nicht denken, meine Hoffnung ist dahin und gestorben sei mein Vertrauen? Ich aber will singen zu meinem Herzen: Die Liebe Gottes ist nicht dahin, und sein Erbarmen mit mir nicht zu Ende…“

Doch des Königs Kämmerer, ein Schwarzer (!), hörte vom Schicksal Jeremias und ging zum König, weil er ihn retten wollte. Der wankelmütige König, gab dem Plan des Kämmerers seinen Segen. Der kam mit anderen Männern zur Zisterne, holte den Propheten mit einem Seil heraus und dieser blieb als Gefangener im Wachthof des Königs. Sein Leben war  gerettet.

Was sagt uns das für heute?

Einmal: der Prophet gibt in der absoluten Finsternis nicht auf. Er sucht das, was sein Leben im Inneren trägt. Für ihn ist das Gott. Für mich auch. Für Manche von Ihnen wird das anders sein. Vielleicht ist es ein Lied, ein Text. Und sicherlich gehört für viele von uns die Liebe zu einem Menschen dazu.

Zum Anderen: die rettenden Hände kommen in Form eines Seils. Der Prophet sieht diese Hände, ergreift das Seil und lässt nicht die Depression siegen, die da sagt: „Es gibt keine Rettung.“ Es geht darum, dass wir Hilfe suchen, wenn wir sie brauchen.

Der Prophet Jeremia, in diesen schweren Zeiten ein Licht der Hoffnung für uns!

Andreas Brosthaus, kath. Diakon in Dinslaken - 28.4.2020

You‘ll never walk alone…

Gehören Sie auch zu der Gruppe die gerne wieder gemeinsam Sport treiben würde oder Sportveranstaltungen live oder am Fernsehen verfolgen möchte?  

Für mich als Fußballfan ist es aktuell nicht absehbar wann ich wieder ein Fußballspiel als Zuschauer im Stadion besuchen darf. Es bleibt mir also nichts anderes übrig als mich an mein letztes Spiel zu erinnern, welches ich live im Stadion gesehen habe. Ich besuchte ein Spiel des FC Liverpool an der berühmten Anfield Road. Dabei durfte ich in den vielen uns bekannten Song „You’ll never walk alone…“ - Du wirst niemals alleine gehen“ mit einstimmen. Ursprünglich ein Song von Frank Sinatra, geschrieben in schweren Zeiten des Jahres 1945.

Ja, es war für mich schon beeindruckend, dass Fußballfans statt Schlachtgesängen, so ein ruhiges und gefühlvolles Lied singen. Was für eine Sehnsucht verschafft sich damit Ausdruck?

Die Sehnsucht nach Trost in schweren Zeiten. Die Sehnsucht, nicht allein zu sein. Es zeigt doch, die Sehnsucht von uns Menschen nach persönlicher Nähe, Trost und Geborgenheit.

In dem Lied von Frank Sinatra heißt es:

„Wenn du durch einen Sturm gehst, geh erhobenen Hauptes und habe keine Angst vor der Dunkelheit. Am Ende des Sturms gibt es einen goldenen Himmel.“

Da leuchtet Hoffnung auf, die Mut macht zum Weitergehen. Trotz der schrecklichen Dinge, die damals passiert sind.

„Geh weiter, durch den Wind“, singt Frank Sinatra, „geh weiter, durch den Regen, auch wenn sich alle Deine Träume in Luft auflösen“.

Ist das nicht starker Tobak? Immer weitermachen, auch wenn sich alle Träume in Luft auflösen.

Das fällt uns doch so verdammt schwer. Wir möchten doch, dass unsere Wünsche, unsere Träume wahr werden und nicht, dass sie sich in Luft auflösen.

Ja es ist wichtig, dass man Träume im Leben hat. Aber genauso wichtig ist es, dass man Träume loslassen kann, anstatt sich darin zu verbeißen, wenn man spürt, dass sie nicht in Erfüllung gehen.

Und wenn sich manche Träume in Luft aufgelöst haben und wir es geschafft haben, sie loszulassen, dann singt Frank Sinatra: „Geh weiter, geh weiter, mit Hoffnung in deinem Herzen.“

Aber worauf gründet sich unsere Hoffnung?

Wie schön ist es dann, Menschen zu haben, die zu uns stehen, wenn wir krank oder verzweifelt sind.

Wie schön ist es dann, Menschen zu haben, auf die wir uns verlassen können, die auch in der Krise bei uns sind, wenn vieles verloren erscheint.

Wie schön ist es für eine Fußballmannschaft, wenn sie nicht nur im Erfolg gefeiert wird, sondern wenn ihre Fans auch zu ihnen stehen nach einer Niederlage.

Das Schönste aber ist, dass wir an einen Gott glauben dürfen, der uns niemals alleine lässt! In seinen Händen dürfen wir uns angenommen und geborgen fühlen.    

Gerade in diesen Wochen dürfen wir darauf vertrauen das auch Gott der Grund unserer Hoffnung ist und der uns immer neu zusagt:
„You’ll never walk alone - Du wirst niemals alleine gehen!“

Gisbert Meier, ev. Pfarrer in Voerde - 27.04.2020

Eine russische Legende erzählt, wie die Frau eines Rabbi nach ihrem Tod an der Himmelspforte gefragt wird, wer sie sei. ‚Ich bin doch die Frau des Rabbi‘, antwortet sie mit leichtem Stolz. ‚Danach habe ich dich nicht gefragt‘, gibt Gott ihr zur Antwort. ‚Wer bist du? Ich will nicht wissen, mit wem du verheiratet warst.‘ – ‚Ich bin doch die Mutter der vier Söhne, die auch alle Rabbi wurden‘, sagt sie, jetzt schon etwas unsicherer. ‚Ich habe dich nicht nach deinen Familienverhältnissen gefragt‘, wird ihr geantwortet. ‚Wer bist du?‘ – ‚Ich habe doch den Frauen im Dorf immer die Kleider genäht‘, sagt sie, jetzt schon gänzlich verunsichert. ‚Ich habe dich nicht nach deinem Beruf gefragt. Wer bist du?‘, lautet die unerbittliche Frage Gottes. Jetzt kann die arme Frau nichts mehr antworten und wird sich bewusst, dass sie ihr Leben nur für andere gelebt hat, ohne zu wissen, wer sie selbst eigentlich ist.                                                      
Wer bin ich eigentlich, wenn so Vieles, womit ich meinen Alltag fülle, nicht mehr möglich ist. Wenn die Kontakte eingeschränkt sind, wenn viele der sonst üblichen Aktivitäten keine Rolle mehr spielen. Was oder wer gibt mir Geborgenheit, wenn mein gewohnter Lebensrahmen brüchig wird? Wenn ich auf Distanz zu anderen bleiben muss und in vielem auf mich selber verwiesen werde. Dann melden sich drängende Fragen: was ist mir wichtig in meinem Leben? Erfülle ich allzu oft die an mich herangetragenen Aufgaben und Erwartungen? Lebe ich mein Leben so, dass ich glücklich und erfüllt lebe? Was muss ich in meinem Leben in Ordnung bringen? Eine Krise ist ja immer auch eine Entscheidungssituation: soll alles möglichst bald wieder weitergehen wie bisher oder sind hier und da Schritte der Veränderung notwendig? Was möchte ich für mich selber bewahren aus dieser besonderen Zeit? Wird die Wertschätzung von Menschen und ihrem besonderen Einsatz für andere auch in meinem künftigen Alltag eine Rolle spielen und will ich das andere auch spüren lassen – durch mein Verhalten, mein Reden und mein Tun? Und kann so aus den oft viel zu lauten Egos ein stärkeres und einander wertschätzendes Wir werden? Dann hätte diese Krise für mich auch eine sinnvolle, weil gemeinschaftsstiftende Seite.                                                                                                       
Wer bin ich? Ein Mensch, der auf Gemeinschaft und Austausch angewiesen ist, darauf, dass ich wahrgenommen werde. Ein Mensch, zu dem Gott sagt: Ich kenne dich, ich weiß, wer du bist, du gehörst zu mir. Und wo du auch bist und wie immer du dein Leben lebst, ich bin bei dir im Leben und auch im Sterben.

Markus Gehling, kath. Pastoralreferent in Voerde - 24.4.2020

Haltet Abstand! Dass wir wenige soziale Kontakte pflegen sollten, dass macht mir diese Krisenzeit so schwer. Dabei gibt es in der katholischen Tradition schon fast seit Jesu Zeiten die Neigung sich als Einsiedler in eine einsame Hütte oder in die Wüste zurückzuziehen um mit sich selbst und Gott allein zu sein.
Ein heiliger Antonius in der ägyptischen Wüste des 3. Jahrhunderts hätte von Covid-19 vermutlich gar nichts mitbekommen. Aber das Allein-Sein mag ja vor Corona schützen, doch es ist nur was für ganz besondere Charaktere. Etwas für Einzelgänger und Eigenbrötler! Solche Leute, die ihr Brot ganz allein essen – mit denen ist manchmal nicht gut Kirschen essen. Schwierige Leute sind das, jedenfalls manche von ihnen.
Seit jeher gibt es daher unter Mönchen, die eine intensive Beziehung zu Gott pflegen wollen solche, die Einsiedler sind und solche, die in einer Gemeinschaft leben. Beides hat seine Probleme. Wo viele Leute (zu) nahe beisammen leben – entsteht Streit.
Vor Jahren habe ich die Mönche des Kartäuserordens im Allgäu besucht, die dort wo Fuchs und Hase sich gute Nacht sagen, in einer abgelegenen Gegend, ihr Kloster haben.
Der Bruder an der Klosterpforte nahm sich Zeit, mit mir zu reden. Alle anderen Mönche leben in kleinen Häuschen, beten allein, essen allein, arbeiten allein. Aber ab und zu tun sie das auch zusammen. Der Bruder sagte, dass Bruno aus Köln, der den Orden begründete, einen Leitsatz hatte: das Leben in der Gemeinschaft der Mönche sollte ausgewogen sein. „So viel Einsamkeit wie möglich, soviel Gemeinschaft wie nötig.“ Das klappte anscheinend, denn die Lebensregeln der Kartäuser sind seit 900 Jahren unverändert.
Ich habe bei diesem Besuch im Kloster gelernt, dass es darauf ankommt, das im Leben gut zu balancieren. Jeder braucht Allein-Sein und jeder braucht Gemeinschaft. Wir das Letztere wohl mehr als ein Einsiedler. Aber in den letzten Wochen mussten wir wegen Corona auch viel Miteinander entbehren oder neue Wege suchen, einander nahe zu bleiben.
Doch auch das hat seine positiven Seiten, wie uns die Mönche der Marienau im Allgäu lehren. Die Ohren und Herzen einmal weit zu öffnen für die leisen Töne, zu öffnen für die Stimme Gottes. Und tief im Herzen zu erspüren, warum uns das Miteinander mit unseren Freunden, Nachbarn, Arbeitskollegen, Mitschülern und unserer Familie so viel bedeutet. Wie schön wäre das, wenn wir unter dem Strich nach der erzwungenen „Einsiedelei“ wieder besser wissen, was für unser Leben wirklich wichtig ist.

Hl. Bruno, bitte für uns!

Petra Schorberger-Waldhausen, ev. Pfarrerin in Dinslaken - 23.04.2020

In diesen Corona-Zeiten gibt es viele wunderbare Aktionen.
Eine davon  habe ich vor ein paar Tagen bei einem Spaziergang in der Rheinaue in Walsum auf dem Weg zum Rhein entdeckt.
Mittlerweile bilden ungefähr 1000 Steine  eine lange Kette.
Bunt und fröhlich leuchten sie und sind ein echter Hingucker.
Kein Stein ist wie der andere. In der Form, in der Gestaltung – keiner gleicht dem anderen.
Der Phantasie sind keinen Grenze gesetzt.
Da steht auf den einen der Name des Künstlers /der Künstlerin, andere sind einfarbig angemalt, wieder andere haben abstrakte Muster in den schönsten Farben. Da sind Schutzengel, Regenbogenmotive, Durchhaltesprüche, Osterwünsche und vieles mehr zu sehen und zu lesen...

Wie schön, dass Menschen, die sich nicht kennen, die sich auch nie alle zusammen sehen werden, hier etwas gemeinschaftlich getan haben und immer  noch tun.
Und es werden immer mehr.
Das schöne Wetter um die Osterzeit hat dazu beigetragen, dass die Farben erhalten geblieben sind bei den meisten Kunstwerken.
Aber auch wenn der Regen die Farben vielleicht demnächst bei einigen herunterspült: Sie bleiben doch dort liegen, in ihrer Unterschiedlichkeit.
Ich liebe Steine und bringe mir von unterschiedlichen Orten  gerne Erinnerungssteine mit.
Viele davon habe ich auch schon verschenkt, andere liegen im Garten oder auf der Fensterbank.
Steine erzählen etwas vom Leben -  sie haben viel erlebt  - halten vielem Stand, den Gezeiten, den veränderten Klimaveränderungen über Jahrtausende – sind Wind und Regen, Schnee und Eis,  Sonne und Mond ausgesetzt.
Jeder bemalte Stein in der Steinkette in der Rheinaue hat seine  eigene Geschichte, zunächst in der Form:
Wo mag er her sein?
Aus dem Garten, mitgebracht aus einem vergangenen Urlaub?
Auf jeden Fall wurde er ausgesucht,  in der Hand gehalten, vor dem Bemalen abgewaschen.
Wer hat ihn bemalt – dort hingelegt?
War es ein Kind, ein Jugendlicher, eine Künstlerin, ein Künstler, ein alter Mensch?
In der Bibel werden Christinnen und Christen mit „lebendigen Steinen“ verglichen (1. Petrus 2, 5), die mit am Haus Gottes bauen. Für mich sind diese Steine am Wegesrand zur Rheinaue lebendige Steine, denn sie bauen mit am Haus der Hoffnung und der Zuversicht, in dem wir unseren Platz finden hier und in der Welt.
Ich habe heute auch einen Stein in die Reihe gelegt, den ich geschenkt bekommen habe.
Vielleicht kommen Sie ja bei Gelegenheit dort auch vorbei – mit oder ohne Stein und können sich an der Entdeckung erfreuen.

Ria Jansenberger, kath. Verbundleiterin der Kindertageseinrichtungen in Walsum

Als „die dunkelste Stunde der Menschheit“ bezeichnete Kristalina Georgiewa, Direktorin des Internationalen Währungsfonds, Anfang April die bestehende weltweite Corona-Krisensituation. Mit dieser Formulierung greift sie zurück auf ein berühmtes Zitat von Winston Churchill. Von der dunkelsten Stunde in der Geschichte Frankreichs, „darkest hour“, sprach Churchill nach dem Fall von Paris, mit dem der Untergang des ganzen Landes, ja ganz Europas im Kampf gegen Nazi-Deutschland drohte. Damit maximiert die IWF-Chefin große Worte aus dramatischen Zeiten. Unbestritten, die offiziell inzwischen fast zweieinhalb Millionen Corona-Infizierten und die mehr als 160.000 Toten weltweit, die massiven wirtschaftlichen Einbrüche, die alptraumhaften Szenarien aus Krankenhäusern und Bilder von ausgehobenen Massengräbern sowie krasse Lebenseinschränkungen stellen für unzählige Menschen auf der Welt eine schwere Katastrophe dar. Daher scheint nachvollziehbar, was die IWF-Chefin bewogen haben mag, dieses schwergewichtige Zitat in der jetzigen Situation aufzugreifen. Vergleiche, sobald es um Not von einzelnen Menschen geht, können nie angemessen sein, weil tiefes Leid nicht durch noch tieferes Leid geringer wird. Dennoch wage ich, einen Gedanken daneben zu stellen: seit vielen Jahren, auch 2020 starben und sterben täglich mehr als 24.000 Menschen, weil sie nicht genügend Nahrung zur Verfügung stehen haben. Neun Millionen Menschen Jahr für Jahr. Insbesondere betroffen sind Kinder unter fünf Lebensjahren. Laut Welthungerhilfe hungern 821 Millionen Menschen, weitere zwei Milliarden leiden an Mangelernährung. Viele Gründe dafür stehen durchaus in Zusammenhang mit unserem westlichen Lebensstil. Dieser Beitrag ist verfasst für die Kolumne „Licht der Hoffnung“. Warum also schreibe ich von „der dunkelsten Stunde“? Tatsächlich verbinde ich mit der aktuellen Krise eine Hoffnung. Nämlich die, dass erfahrene eigene existentielle Bedrohung uns empfänglicher macht für die erschreckenden Überlebensnöte, in denen sich weltweit jeder neunte Mensch der Erde befindet - ohne Rettungsschirm, großem Medieninteresse und Krankenversicherung. Das wäre ein Licht gegen die bequem verdrängten finstersten Stunden der Menschheit.

Jörg Munkes, ev. Pfarrer in Dinslaken - 21.4.2020

Gerne beginne ich meinen Tag mit Musik. Da ich Schallplatten sammle, lege ich mir schon mal nach alter Manier eine Platte auf, meistens mit klassischer Musik, manchmal auch Schlager. Natürlich geht das auch mit einer CD oder einem Download. Für mich soll der Tag mit einem positiven Gefühl beginnen. Gerade auch in schwierigen Zeiten hilft mir Musik, in den Tag hineinzukommen.
Ich singe auch gerne, z.B. ein Lied, dessen Text ich vor vielen Jahren einmal selbst geschrieben habe, und das mir hilft, den Tag zu bestehen. In der ersten Strophe heißt es:
Gottes Wort erschafft den neuen Tag,
das Morgenrot bescheint das Land.
Damit ich den Tag bestehen mag,
reicht er mir seine gute Hand.
Ganz gleich, was das Heute Neues in sich trägt,
Leichtes oder Schweres,
was auch immer sei,
„Hab Vertrauen“, spricht zu mir mein Gott.
„Du bist mein geliebtes Kind.
Ich segne deine Lebenszeit.
Denn die Zeit, sie ist in meiner Hand.
Drum sei zu meinem Dienst bereit.“

Ich vertraue auf Gott, den Schöpfer. Jeder Tag in meinem Leben ist seine Schöpfung und sein Geschenk. Mit Gottes Hilfe und an seiner unsichtbaren Hand bestehe ich den Tag, selbst wenn mir Schwierigkeiten begegnen, ein Ereignis mich traurig macht oder ich Fehler begehe. Ich weiß, er ist für mich da und lässt mich nicht fallen. Ich darf auf ihn vertrauen, denn ich bin mit allen Fehlern und Schwächen sein geliebtes Kind. Vertrauen ist für mich ganz wichtig. Denn „Glauben“ heißt für mich „Vertrauen“, was auch immer geschieht. Auch wenn ich Schweres erlebe - wie bei vielen Menschen jetzt in der Krise - darf ich mich von ihm getragen fühlen.

Er ist der Herr der Zeit, denn auch sie – meine Lebenszeit – stammt von ihm. „Meine Zeit steht in deinen Händen,“ so betet der Verfasser des 31. Psalms im Alten Testament zu seinem Gott.
Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern, dass auch Sie in schwierigen Zeiten spüren dürfen, wie Gott Sie leitet und segnet, dass Sie an seiner guten Hand den Tag bestehen, ihm vertrauen können und er Ihre Lebenszeit segnet.

Heinz-Josef Möller, kath. Pfarrer in Voerde - 20.4.2020

„Soll ich Ihnen das Wasser nach Hause bringen?“ – Nach meinem Einkauf beim Lidl überrascht mich die Frau mit dieser Frage. Ich bin, wie fast immer, mit dem Rad unterwegs und will auf dem Rückweg rasch einige Dinge einkaufen. Auch in Corona – Zeiten ist das ja notwendig, für ganz viele schon mit dem Mundschutz. Das Six-Pack mit dem Wasser transportiere ich dann immer auf dem Gepäckträger. Das ist – zugegeben – manchmal etwas mühsam, aber mit etwas Erfahrung geht das ganz gut. Das Angebot der Frau, die ich nur flüchtig kenne, überrascht mich.
Wie so viele andere Angebote der Hilfe, die alles andere als selbstverständlich sind. Ganz viele haben sich bei mir oder bei anderen gemeldet. „Falls Sie mal jemanden brauchen, der für andere Einkäufe erledigt. Auf mich können Sie zählen.“ „Wenn alte oder kranke Menschen Hilfe brauchen, ich bin dazu bereit.“ „Es gibt ja vielleicht doch einige, die nicht von der Familie oder der Nachbarschaft versorgt werden, melden Sie sich bei mir.“ Das sind nur einige sehr konkrete Hilfsangebote, die mir in den vergangenen Tagen und Wochen angeboten wurden. Bisher konnte ich nur ein Hilfsangebot konkret weitervermitteln, weil – davon bin ich überzeugt - stille, nachbarschaftliche Hilfe auch ohne meine Vermittlung gut funktioniert. Ganz selbstverständlich und ohne großen Vermittlungsaufwand.
Besonders junge Leute, Jugendliche und Kinder entwickeln in diesen schwierigen Zeiten ein konkretes Gespür für Solidarität und Bürgersinn, der gut tut. Wie die Kindergartenkinder, die in einer Notgruppe betreut werden und für die alten Menschen aus dem Altenheim Bilder gemalt haben. An der Pforte habe ich sie abgegeben. Die Sekretärin, die sie entgegen nimmt, hat mir versichert, dass sie an jene Alten verschenkt werden, die selbst auf telefonische Zeichen der Nähe verzichten müssen.
„Abstand ist in diesen Tagen ein Zeichen von Nähe!“ – Dieses Wort ist richtig. Allerdings brauchen wir bei allem notwendigen Abstand dennoch Zeichen der Nähe und Wertschätzung. Das kann ein Bild oder ein selbst gebasteltes Geschenk sein. Ich habe mich jedenfalls sehr über Anna´s Bilderheft gefreut, das sie mir zu Ostern geschenkt hat. Sie und andere Kinder machen mir fantasievoll deutlich, dass ich als Mensch auf Gemeinschaft hin verwiesen bin. Ich wünsche Ihnen sehr offene Augen und Ohren, die Ihnen das Entdecken dieser konkreten Zeichen der Wertschätzung und Nähe ermöglichen.

Kirsten-Luisa Wegmann, ev. Pfarrerin in Dinslaken - 18.04.2020

„Das ist, weil du zu viel erwartest!“ sagt G. der Stallbesitzer und Pferdeprofi auf seine Art, als ich unzufrieden klage: „Das Pferd läuft schlecht, Hilfen kommen nicht durch, alles blöd gerade!“ Wie bitte? Erwartungen und Pläne sind nicht gut? Wie soll das denn sonst gehen? „Guck mal, du kommst und weißt genau, was wann wie zu sein hat. Voll innerem Druck. Und den spürt der Gaul – der lebt nämlich! Der fährt sich hoch und macht dicht. So wird das nix!“ Habe ich drüber nachgedacht. Stimmt irgendwie. Und nicht nur beim Pferd.
Kennen Sie bestimmt: Die hohen Erwartungen, was im Leben stimmen muss. Toller Beruf und gutes Gehalt. Trainierte Figur. Urlaube an exotischen Locations für Fotos auf Insta und Co. Die Rundumversicherung für alle Eventualitäten. Die selbstverständlichen Freiheiten, Konsum, das, was man sich halt gönnt und beansprucht. Zugegeben, ich übertreibe, aber da ist oft so viel Druck, so hohe Erwartungen in den Lebensplänen, auch bei mir – und die Sorge es nicht zu schaffen. Und Druck blockiert.
Mitten im Nachdenken über Pläne, Erwartungen und Sorgen meldet sich die leise, aber penetrante Bibelstimme in meinem Kopf: Da war mal einer, der sagte „Wer von euch kann dadurch, dass er sich Sorge macht, sein Leben nur um eine Stunde verlängern? Macht euch keine Sorgen um den kommenden Tag – der wird schon für sich selber sorgen. Es reicht, dass jeder Tag seine eigenen Schwierigkeiten hat!“
Da war mal einer, der den sorgenvollen Menschen mit hohen Erwartungen sagte: Gott behält die Vögel unter dem Himmel und die Blumen auf dem Feld im Auge. Sie sind ihm wertvoll Und wieviel mehr diejenigen, die er mit seiner Kreativität ausgestattet und zu seinem Ansprechpartner bestimmt hat. Du bekommst so viel, wie du brauchst – und musst nur so viel tragen, wie du kannst. Kannst du darauf vertrauen – und Sorgen, Pläne, Druck loslassen, wenigstens ein bisschen?
Gerade lernen wir, dass wir oft gar nicht so viel wirklich in der Hand haben. Und worauf es ankommt. Wir können nachdenken und Ballast über Bord zu werfen. Überlegen, wie es weiter gehen wird und soll. Ob wir blind Idealen und Erwartungen hinterherhecheln oder doch ab und zu mal erkennen: Och, so wie es ist, ist es eigentlich gut. Und genug. Oder: Schau´n wir mal – und sich überraschen lassen. Also ich hab´s ausprobiert: Nix erwarten, nur annehmen, was sich ergibt. Mit dem Pferd lief´s deutlich besser. Und was Pferde können, sollte auch bei homo sapiens klappen, wenn der Alltag wieder anläuft. Und wer die biblischen Fundstücke nachlesen möchte: Matthäusevangelium, Kapitel 5-7. Ein Text der Weltliteratur, der immer wieder zum Nachdenken anregt.

Martin Berendes, kath. Diakon in Voerde - 17. April 2020

Es ist schon ein ungewöhnliches Osterfest gewesen. Ja, ich weiß, es musste so sein,
Corona um zu bekämpfen. Aber ich muss zugegeben, dass ich darunter gelitten habe und es noch tue. Mir fehlten die Gottesdienste mit der Gemeinde. Die Gottesdienste in der Fastenzeit, der alljährliche Bußgang nach Eppinghoven, der Palmsonntag und dann die Gottesdienste in der Karwoche: Gründonnerstag, Karfreitag, Osternacht. Im Internet und alleine fehlt Gemeinschaft.
Und mir fehlt auch der Gottesdienst am zweiten Ostertag. Diese ist für mich etwas ganz Besonderes. In diesem Gottesdienst wird das Evangelium der beiden Jünger verkündet, die nach Emmaus gehen. Zwei Menschen, die total niedergeschlagen sind. Alles ist anders. Anders als erhofft. Anders als gewohnt. Sie hatten doch so eine schöne Erfahrung gemacht. Da gab es einen, der brachte Hoffnung, der brachte Träume, der brachte ein Leben, das viel schöner schien, als bisher gewesen ist. Und dann die Katastrophe: Jesus wurde verurteilt, ans Kreuz geschlagen und starb! Verzweiflung, Trauer, Hoffnungslosigkeit! Wie soll es nur weitergehen?
Manchen von uns mag es in dieser Zeit genauso gehen. Die menschlichen Kontakte, Berührungen, Besuche von Kindern und Enkeln, Umarmungen – alles das fehlt uns. In den abendlichen Fernsehsendungen werden wir täglich über den Schrecken dieser Krankheit informiert, jedoch scheint es so, als wäre ein Ende noch nicht in Sicht. Verzweiflung, Trauer, Hoffnungslosigkeit! Vielleicht eine Parallele, wobei die Corona-Pandemie natürlich nichts mit staatlicher oder religiöser Willkür wie bei Jesu Hinrichtung zu tun hat.
Jedoch nahm die Geschichte der Emmaus-Jünger eine gute, eine positive Wendung. Ein Mann kam hinzu und ging mit ihnen nach Emmaus. Er sprach mit ihnen, hörte sich ihre Ängste und Sorgen an, diskutierte mit ihnen und brachte wieder Licht in ihr Leben. Erst später erkannten sie, dass es Jesus war, der sie begleitete.
Ich wünsche Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, dass diese für manche hoffnungslose Zeit ihnen keinen Schaden zufügt. Das sie gesund bleiben und in Kontakt und Gespräch mit Menschen, die ihnen nahestehen. Und vielleicht, nein sicherlich, begleitet Jesus sie auf ihrem Weg. Manchmal fällt es nicht leicht zu erkennen, dass Gott mit uns ist. Bleiben sie offen, für sein Handeln und seine Begleitung.

Mirko Lipski-Reinhard, ev. Pfarrer in Hünxe - 16.04.2020

Glück auf! – der Gruß der Bergleute ist auch nach dem Ende des Bergbaus in unserer Region verwurzelt. In Erzählungen, Erinnerungen und Freundschaften ist der Pütt noch an vielen Orten lebendig.
In Bruckhausen ist eine lebendige Erinnerung die Grubenlampe, die in der Kirche „Unsere Arche“ hängt und während der Gottesdienste leuchtet.
Doch analoge Gottesdienste fallen in diesen Wochen aus. Wenn ich Online-Andachten aufnehme, stehe ich vor leeren Kirchenbänken. Dabei fällt mein Blick oft auf diese Grubenlampe.
Ich denke dann nicht nur an den Bergbau, von dem mir mein Großvater, der Bergmann auf Walsum war, berichtete. Unter Tage hatte sie die Funktion die Bergleute gegen unsichtbare Gefahren abzusichern. Das erinnert mich daran, wie groß momentan unsere Sehnsucht nach Orientierung und Sicherheit, nach der Rückkehr des „normalen Lebens“ ist.
Ohne Gottesdienste, ohne großes Familienessen mit allen Generationen,
ohne traditionellen Osterurlaub haben sich diese Feiertage irgendwie anders angefühlt, als wir es gewohnt sind.
Es war dunkler, trotz längerer Tage mit vielen hellen Stunden.
Es fühlte sich kälter an, trotz der wärmenden Strahlen der Frühlingsonne.
Ich betrachte mir noch einmal die Grubenlampe in „Unsere Arche“.
Wie heißt es noch im Steigerlied?
„Und er hat sein helles Licht bei der Nacht schon angezündt.“
Wie schön und passend, dass die Grubenlampe ihren Platz bei Taufbecken und Osterkerze hat! Denn „das helle Licht bei der Nacht“ ist für uns Christ*innen das Osterlicht. In der Osternacht entzünden wir die Osterkerze und geben ihr Licht einander weiter. Die zunächst dunkle Kirche wird so langsam durch den Schein der Kerzen erhellt. Das Licht wird sichtbar, die Wärme der Kerzen wird spürbar: Gott lässt uns in der Nacht der Enttäuschung und der Trauer nicht allein – das will er uns zeigen:
Jesus ist auferstanden!
Christus, der von sich gesagt hat „Ich bin das Licht der Welt!“ lässt es hell werden.
Gott lässt mich nicht im Stich in meiner Enttäuschung, in meinem Frust, in meiner Hoffnungslosigkeit.
Auch wenn die Feier der Osternacht in diesem Jahr so nicht stattfinden konnte, der Sinn des Osterfestes bleibt. Und so gewinne ich mit seinem „Licht bei der Nacht“ wieder etwas Orientierung und Sicherheit zurück.
Glück auf und bleiben Sie behütet!

Mariele Reppenhorst, kath. Pastoralassistentin in Voerde - 15.4.2020

Mittlerweile sind wir alle ziemlich kreativ geworden, wie wir mit der aktuellen Lage und dem Kontaktverbot umgehen. In meinem Freundeskreis finden sogar Stammtische, Doppelkopfrunden und Verabredungen auf ein Bier, Wein oder Kaffee weiterhin statt. Dank der modernen Technik können durch Videotelefonate viele Verabredungen aufrechterhalten werden.
Außerdem nehme ich wahr, dass sich die sonst so gestresste Perspektive bei vielen in Richtung Entschleunigung gedreht hat und ich höre so  Sätze wie: „Dafür habe ich aktuell keine Zeit. Das mache ich am Wochenende.“, viel seltener. Jetzt haben wir die Zeit und viele nutzen diese. Vor den Baumärkten sind lange Schlangen und die Keller und Dachböden sind mittlerweile auch schon bei den meisten entrümpelt. Eigentlich hätte man auch mal die Sonnenstunden seit Mitte März zählen sollen. Ein so toller Frühling lädt uns ein trotzdem in die Natur zu gehen. Wie schön, dass uns diese Option nicht genommen wurde. Ich bin dafür sehr dankbar und bin jetzt viel mit dem Fahrrad unterwegs. Dabei sehe ich lauter kleine Botschaften, die mir Hoffnung geben. Da sind die bunten Bilder mit Straßenmalkreide vor den Häusern der Großeltern und es hängen Plakate an Zäunen mit Sprüchen wie „Gemeinsam schaffen wir das“. Mir machen diese Botschaften Mut und ich fühle mich tatsächlich weniger alleine.
Eines der schönsten Motive, welches ich immer wieder in den Fenstern entdecke, ist der Regenbogen. Es scheint ein bisschen wie ein „Geheimcode“ zu sein. Kinder malen Regenbögen und hängen sie ins Fenster. Die Idee hinter dieser Aktion ist, dass die bunten Bilder gezählt werden können und die Kinder sehen, überall wo ein Regenbogen im Fenster hängt, ist auch ein Kind, das zuhause bleiben muss. Als Christin denke ich dabei sofort an eine Geschichte aus der Bibel, die viele von uns schon in der Kindheit erzählt bekommen haben. Die Geschichte der Sintflut und der Arche Noah aus dem Alten Testament. Gott schickt nach dem Überstehen dieser Flut einen Regenbogen, als Zeichen für seine Verbundenheit mit uns Menschen. Ich bin überzeugt davon, dass auch die Kinder durch ihre Regenbögen spüren, dass sie nicht alleine sind. Diese leuchtenden Farben verbinden die Kinder miteinander, und lassen sie hoffen, dass „nach dem Regen wieder die Sonne“ kommt. Ich zähle nun auch diese tollen Regenbogenbilder und lasse mich von der Hoffnung und Zuversicht der Kinder anstecken. Vielleicht mögen auch Sie bei dem nächsten Spaziergang mal bewusst auf diese Hoffnungsbilder achten und sich von ihnen anstecken lassen.

Susanne Jantsch, ev. Pfarrerin in Voerde - 14.4.2020

Hoffnungsvoll beten
Beten Sie jetzt? Am Morgen nach Ostern? Dass es anders wird als vorher, dass es sich ändert mit den neuen Coronavorschriften? Dass es endlich ein Ende haben soll mit all diesen Erkrankungen und dem Sterben und den Abschieden?
Ich bete gern. Ja, schön war das als Kind mit einem Abendgebet einzuschlafen.„Abends, wenn ich schlafen geh 14 Englein um mich steh’n. Zwei zu meinen Häupten, zwei zu meinen Füßen…“ Ich bin behütet und kann ruhig schlafen. Das ist ein Segen gegen die Bedrohungen der Nacht. Bis heute ist es gut für mich, den Tag mit dem was gewesen ist, Gott anzuvertrauen.
In der Osterausgabe einer Wochenzeitung werden Christen, Juden, Muslime und Atheisten danach gefragt, ob beten in Zeiten von Corona hilft. Es gibt bunte Antworten: “Natürlich hilft beten! Wie soll der liebe Gott einen denn sonst hören?“ Das ist die klare Ansage von Helene, 6 Jahre alt. Eine Schauspielerin sagt: „Mein Kindergott, zu dem ich gerne und oft gebetet habe, ist leider längst aus meinem Leben verschwunden. Die Gebete sind geblieben! Im Moment bete ich die drei großen V an: Virologen, Vernunft, Verantwortung.“
Ich frage mich, ob Maria gebetet hat. Am Ostermorgen, als sie zum Grab von Jesus ging. Vielleicht Stoßgebete, in denen ihre Trauer zum Himmel schreit. Als sie sich in das Grab hineinbeugt, entdeckt sie zwei Engel. Einen zu Häupten, den anderen zu Füßen, wo der Leichnam Jesu gelegen hatte. Sie sind ein Segen gegen die Bedrohung der Todesnacht. Es sind Engel, die ihre Tränen sehen. Maria wird aufgerichtet. Und sie spricht. Im Sprechen findet sie Worte für das, was mit ihr los ist. Worte für ihre Angst und ihre Sehnsucht.
Am Ostermorgen hört Maria ihren Namen. Von Jesus angesprochen und von Jesus angesehen, hört sie die Vögel singen, sieht, wie Bäume blühen. Die Welt riecht nach neuem Leben. Am Ostermorgen wird Maria aufgeweckt und ich stelle mir vor, wie sie betet: Christus, dein neues Leben strahle auf über mir wie die Sonne am Morgen.
Hilft beten? „Ich richte das Gebet direkt an Gott und spüre eine Verbindung zu ihm, die mir Mut macht und Zuversicht gibt. Dennoch weiß ich, dass Gebete allein nicht reichen, um betroffenen Menschen zu helfen“, bekennt eine Rechtsanwältin und Frauenrechtlerin.
Dieses Ostern war anders als die vielen Male zuvor. Heute am ersten Tag nach dem Osterfest gehe ich erleichtert und beschwingt weiter und höre mich ein Osterlied summen: Gelobet sei Christus Marien Sohn. An diesem Morgen danke ich für die gemeinsame Kraft, die im Gebet entsteht und bitte um Besonnenheit und Zuversicht und darum das zu tun, was notwendig ist.

Wilhelm Kolks, kath. Pfarrer in Voerde und Dechant des Dekanates Dinslaken

Wenn ein Vers in den Ostererzählungen der Evangelien die Situation dieses Osterfestes 2020 trifft, dann wohl Lukas 23,56, wo es nach dem Bericht von der Grablegung Jesu heißt: „Am Sabbath aber hielten sie die vom Gesetz vorgeschriebene Ruhe ein.“ Der Gesetzgeber hat uns auch solch eine Sabbath-Ruhe vorgeschrieben - „social distancing“ - keine Veranstaltungen, keine Treffen, kein Sport, möglichst das Haus nicht zu verlassen, das öffentliche Leben ist auf ein Minimum reduziert.
Nur dieser „Sabbath“ dauert bei uns nicht nur einen Tag, sondern schon vier Wochen und wann eine „Ausstiegsstrategie“ aus dieser „vorgeschriebene Ruhe“ beginnen wird, wissen wir noch nicht. Das ist schwer auszuhalten.

An diesem Sabbath, dem Karsamstag vor bald 2000 Jahren, passierte allerdings eine ganze Menge, nur nicht öffentlich, sondern im Verborgenen. Davon bekamen die Jüngerinnen und Jünger nichts mit. Es braucht nicht viel Phantasie, sich in ihre Gemütslage einzufühlen. Sie waren bedrückt, sie waren traurig. Sie trauerten um einen Freund, sie begruben alle Hoffnungen, die sie mit ihm verbunden hatten. „Wir aber hatten gehofft, dass ER der sei, der Israel erlösen werden.“ sagten zwei Jünger, die enttäuscht Jerusalem verließen und in ihren Heimatort nach Emmaus unterwegs waren.

Alle Maßnahmen, die uns diese aktuelle „Sabbathzeit“ vorschreibt, dienen dazu, dass möglichst wenige Menschen an Covid 19 sterben. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass die Sterblichkeitsrate immer 100 Prozent betragen wird. Nichts ist in unserem Leben sicherer als der Tod.
Daher bleibt das, was im Verborgenen an diesem Sabbath in Jerusalem geschah, auch heute für uns aktuell! Jesus, der Gekreuzigte, der starb und begraben wurde, wurde von Gott an diesem Sabbath auferweckt zu neuem Leben! Die Liebe GOTTES ist stärker als der Tod! Das ist die Botschaft des Osterfestes. Die Auferstehung Jesu von den Toten ist die „Ausstiegsstrategie“ Gottes aus dem Tod auch für uns. 

Alle Evangelien erzählen davon, dass die Frauen nach dem Sabbath „am Morgen des ersten Tags der Woche“ zum Grab Jesu gingen. Hier ereignete sich das Überraschende, sie hören die Frage: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?“ (Lk 24,5). Das ist für mich der Beginn eines Perspektivenwechsels.

Ob uns auch nach dieser „Sabbathzeit“, zu der uns die Coronakrise zwingt, ein solcher Wechsel in der Perspektive auf unser Leben zu Teil wird?
Ich würde uns wünschen, dass uns allen klar wird, Gesundheit, Wohlstand, Freiheit, Frieden, Demokratie sind nichts Selbstverständliches. Sie sind immer gefährdet. Wer aber auf die Macht der Liebe Gottes vertraut, die den Tod besiegt hat, kann Risiken eingehen, selbst Lebensrisiken, um sich den todbringenden Mächte dieser Welt entgegenzustellen, die all das gefährden.
Wer an die Auferstehung glaubt, hat eben nicht nur eindimensional ein Leben zwischen Geburt und Tod und muss nicht allein für sich zusehen, das Beste aus dieser Zeit herauszuholen. Ostern lässt uns die Dimension Gottes, die wir den Himmel, die Ewigkeit nennen, erkennen. Der Tod ist nicht mehr die Mauer, an der unsere Existenz, unser Personsein zerschellt, sondern er ist das Tor, durch das wir in die Dimension Gottes eintreten.
Tausende von Helferinnen und Helfern, die sich in diesen Tagen für die am Coronavirus Erkrankten einsetzen, geben uns daher ein österliches Zeugnis, wenn sie ihr Leben aus Liebe zu anderen riskieren. Dafür ihnen an diesem Osterfest ein besonders herzliches „Danke“ und der Wunsch „Gott segne sie!“. Uns allen wünsche ich „Frohe und gesegnete Ostern!“.

Friedhelm Waldhausen, ev. Pfarrer und Superintendent im Kirchenkreis Dinslaken - 10.4.2020

Karfreitag denken wir an Jesu Kreuzigung. Das Wort Kar vor Freitag stammt aus dem Althochdeutschen und bedeutet Trauer, Klage oder Buße.
Mir ist der Karfreitag seit meinen Kindertagen vertraut als Tag, der an den Tod erinnert, sogar traurig und einsam machen kann.
Jesu  Worte am Kreuz „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ zeigen seine Angst und wie verlassen er sich von Gott fühlte.
Wie von Gott verlassen, so fühlen sich auch zahlreiche Menschen in unseren vom Coronavirus infizierten Tagen. Immer wieder höre ich, dass man nicht begreift, warum so etwas Unfassbares geschieht. Viele Menschen bringen deshalb auch auf vielfältige Weise ihre Anliegen vor Gott. Sie reden zu ihm in ihrer Verzweiflung. Gestehen ihm ihre Angst. Vertrauen ihm ihre Befürchtungen an. Auch ich bete, bitte und wünsche: „Bleibt gesund, zuversichtlich, seid behütet!“
Das bete ich für Familien und  Alleinerziehende,  die durch die Enge ihrer Wohnungen bedrängt sind, für die in den Krankenhäusern Dienst Tuenden, für die in den Alten - und Pflegeheimen, wo man sich sorgt um die ihnen Anvertrauten. Aber auch, dass wir bald wieder unserer Arbeit nachgehen können und einigermaßen unbeschadet durch die Krise kommen. Mich bedrückt das Elend der Menschen in den völlig überfüllten und krankmachenden Flüchtlingslagern, die neben aller anderen Not auch noch der Gefahr von Corona ausgeliefert sind.
„Mein Gott, warum?“ Karfreitag ist der Tag, an dem auch die großen Passionsmusiken und unsere Kirchenlieder durch ihre Stimmung bis heute die Leidensgeschichte Jesu und damit auch unsere Lebensgeschichte mit ihren Ängsten, Nöten und dem Coronavirus zu Gehör bringen.
Karfreitag schrie Jesus nach Gott. Er sah sich verlassen und in die Leere stürzen. Aber er hielt die Verbindung zu Gott, blieb zu ihm ausgestreckt, gab Gott nicht auf. Das gibt mir - ich hoffe auch Ihnen - Trost und Zuversicht.

Johannes Werges, kath. Pfarrer in Hünxe - 8.4.2020

Soziale Distanz ist das Gebot der Stunde. Es fällt mir nicht leicht, weil ich gerne unter Menschen bin und mit ihnen. Und weil ich glaube, dass unser Gott ein Gott der Nähe ist und ein „Gott der Zärtlichkeit“, wie Papst Franziskus immer wieder betont. In den vergangenen Tagen  stürmte mir ein ehemaliges Erstkommunionkind, aus der Waldschule – Förderschule – ( wo Kinder mit Beeinträchtigungen ein wunderbares Lernumfeld mit wunderbaren Menschen haben)  im Supermarkt mit ausgebreiteten Armen entgegen. Was macht  man da ?? Im Johannes Evangelium gibt es auch eine befremdliche Stelle, die eine befremdliche Situation beschreibt. Hier sagt Jesus vor seinem  Abschied: „Es ist gut für euch, dass ich gehe“ (Joh. 16,7). Und er erklärt, dass andernfalls der Geist Gottes nicht zu ihnen kommen und in ihnen wirken könnte. Das heißt wohl für uns: Manchmal braucht es  Distanzierung, um danach tiefer zueinander zu finden. Ein Beispiel: Eltern müssen lernen, ihre Kinder loszulassen, die Kinder müssen eigene Wege gehen lernen – und wenn das gelingt, dann lernen beide, sich danach wieder auf einer anderen, tieferen Ebene zu begegnen. Bei Jesus: Er ist nicht mehr handgreiflich da, nicht mehr anfassbar, und dennoch sind die Jünger nach Pfingsten viel mutiger als zuvor. Sie haben ihn nicht mehr äußerlich sichtbar und anfassbar bei sich. Sie haben ihn in der Kraft seines Geistes viel innerlicher und können jetzt mit ihm gehen bis ans Ende der Welt! Und ich wünsche  mir für diese Zeit der Distanzierung: Hoffentlich erkennen wir dadurch alle wieder, wie kostbar es ist, Gemeinschaft haben zu dürfen und pflegen zu dürfen; mit den Menschen, die wir mögen. Aber dann auch wieder mit Gott in gottesdienstlicher Gemeinschaft. Die Gemeinschaft der Glaubenden ist  für mich auch ein Ort der Glaubensvergewisserung und der Glaubensbestärkung, und das vermisse ich zur Zeit und erhoffe ich mir bald wieder zu haben. Gemeinschaft pflegen zu wollen mit denen die Klein und hilflos sind, mit denen die am Rande stehen, mit denen die im Schatten stehen.  Und ich spüre zur Zeit sehr, dass Gott uns immer nahe ist – ganz besonders auch jetzt.

Ester Weidner, ev. Pfarrerin in Dinslaken-Hiesfeld - 7.4.2020

In den letzten drei Wochen bin ich jeden Tag neu erstaunt.
Erstaunt über die Vielzahl von Ideen, die mir begegnen.
Es ist, als ob die Kreativität vieler Menschen nur darauf gewartet hat, geweckt zu werden.
Ich beobachte, wie Kolleginnen und Kollegen neue Gottesdienstformen und geistliche Impulse entwickeln.
Wie Nachbarschaftshilfe entsteht und auf verschiedene Weise umgesetzt wird.
Menschen holen ihre Nähmaschinen aus der verstaubten Ecke oder dem Keller, suchen sich Schnitte in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden heraus und fertigen Mund-Nasen-Masken in den vielfältigsten Farben und Mustern. Manche Freundinnen beraten über Design Wünsche und deren Umsetzungsmöglichkeiten. So sehen die Mund-Nase-Masken am Ende sogar gut aus.
Eltern basteln mit den eigenen Kindern, und sind dankbar für Mal- und Bastelvorlagen, die dafür von Verlagen kostenfrei zur Verfügung gestellt werden.
Auf Internetplattformen geben Musiker aller Musikarten „Home-Office-Konzerte“, eine meiner Lieblingssängerinnen, Melissa Etheridge, macht das jeden Abend.
Kleinkünstler entwickeln neue Formate, z.B. stay at home-Shows mit zugeschalteten Gästen.
Chöre und Orchester überlegen, wie sie per Internet proben können.
Und jeden Abend stehen Menschen um 19.00h auf ihren Balkonen oder in ihrem Garten und singen – „Der Mond ist aufgegangen“
Auch ich entdecke ganz persönlich meine eigene Kreativität:
Ich habe mehr Zeit als sonst, und so spiele ich mehr Geige.
Und ich beschäftige mich mit Dingen, an die ich mich sonst gar nicht herangewagt hätte, wie kreative Computerspiele, die auch für die Jugendarbeit gut nutzbar sind, oder Apps zum Designen von Bildern und Filmen.
Manches entsteht, womit vor ein paar Wochen noch keiner gerechnet hätte.
Diese Kreativität, die mir an so vielen Stellen begegnet,
die zeigt mir, dass Gottes Geist mit Schwung durch unsere Straßen fegt.
Denn Kreativität ist DAS Markenzeichen von Gottes Geist.
So heißt es in der Schöpfungsgeschichte: Gottes Geist schwebte über dem Wasser.
Ohne Gottes Geist, gäbe es unsere Welt nicht.
Wo in der Bibel jemand kreativ wird, wird erzählt, dass Gottes Geist ihn erfüllt.
So können wir in unserer eigenen Kreativität und der Kreativität um uns spüren,
dass Gott uns mit seinem Geist nahe ist.
Wo auch immer wir sind, wir sind nicht allein. Gott ist da.

Werner Knoor, kath. Pfarrer in Walsum - 6.4.2020

Stolpersteine sind bekannt. Man sieht sie an bedenkenswerten Orten. Neulich habe ich aber ein StolperBild entdeckt. Vor dem Hauseingang in der Nachbarschaft, mitten auf dem grauen Trottoir ein aus Kreide gemaltes, großes und buntes Herz. Eine Form wie sie nur Kinder hinbekommen und im Herzen mit bunten Buchstaben: „Oma und Opa wir denken an Euch“. Obwohl die Botschaft nicht mir gilt, erfreue ich mich daran. Zeigt sie doch die Phantasie, die viele aufbringen, um miteinander in Kontakt zu bleiben. „Wir denken an Euch“, welch schöne Botschaft in dieser Zeit des Vermissens. Die C-Krise regt die Phantasie an: Was kann man/frau tun, um anderen eine Freude zu bereiten?  Die Enkelkinder haben es mit ihrem StolperBild geschafft und heimlich hoffe ich, dass es in nächster Zeit nicht so viel regnet, denn dann wäre das schöne Bild wieder weg.
Die C-Krise ist weit mehr als ein Stolperstein in unserem durchgestylten Leben. Sie ist Sand im Motor der Geschäftigkeit und Wichtigtuerei der Welt. Und ich bin froh, dass bei uns keine demokratischen Nichtsnutze und Populisten echte Entscheidungsmacht haben. Bei deren Menschenbild und deren Umgang mit Minderheiten, wie sehe dann das Krisenmanagement aus? Man mag es sich nicht vorstellen. Wir leben in StolperZeiten und werden durch einen Virus gezwungen nachzudenken: Was zählt im Leben? Was sollte nach der Krise korrigiert werden? Was vermisst man in all den Einschränkungen?
Als gläubiger Christ vermisse ich die Menschen unserer Gemeinden und auch die Osterfeierlichkeiten. Bestimmt werde ich die Botschaft der Karwoche intensiver lesen als in den Jahren zuvor. StolperBotschaft! Auch hier geht es um existenzielle Krisen, um Entscheidungen und dem Erkennen, dass nicht der zweite Schritt vor dem ersten gemacht werden kann. Wahrnehmen, dass Jesus selber isoliert war und dennoch nicht aufgehört hat einen Weg zu suchen, zu finden und zu gehen. Die StolperBotschaft neu entdecken. Warum nicht? Und ganz am Ende steht Hoffnung. Aber der Weg ist lang und wir brauchen Kraft und Geduld. Darum gehe ich jetzt nochmal zum Haus mit dem Gruß an Oma und Opa. Erfreue mich am StolperBild und bin dankbar für alle, die helfen, dass in den Sorgen der Welt, die Farben nicht ausgehen.

Heiko Dringenberg, ev. Pfarrer in Walsum - 4.4.2020

Wir üben uns im Verzicht.
Nicht freiwillig wie sonst in der Fastenzeit, keine Angelegenheit Einzelner.
„Sieben Wochen ohne“, damit müssen in Zeiten von Corona alle leben, ob gläubig oder nicht.
Ohne soziale Kontakte, ohne Fußball, ohne Schule, ohne Shopping, ohne Arbeit.
Und wie’s augenblicklich aussieht, wird’s wohl länger dauern als bis Ostern.
Wir üben uns im Verzicht.
Picknick am Rhein und Schnack im Treppenhaus, Skatabend und Sonntagsgottesdienst, Verwandtenbesuch und Krabbelgruppe, mal eben zum Enkelkind oder am Wochenende ins Kino:
Alles storniert.
Viel fehlt. Manches wird schmerzlich vermisst.
Leere Tage. Und doch keine vertane Zeit.
In dieser Zeitung stand jüngst zu lesen: Verzichten kann nur, wer was hat.
Was vor Corona selbstverständlich war und nicht der Rede wert, fühlt sich auf einmal anders an.
Wir spüren, worauf es ankommt, und merken, was wirklich zählt. Die Welt steht in anderem Licht.
„Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei“ heißt es in der Erzählung vom Anfang.
Kurz und knapp: Du, Mensch, brauchst den Anderen. So nötig, wie die Luft zum Atmen. So nötig, wie das tägliche Brot.
Wir müssen eine Zeitlang voneinander Abstand halten, um uns und vor allem Alte, Kranke und Schwache zu schützen. Und rücken dennoch näher aneinander ran. Die Distanz verschafft eben einen anderen Blick.
Und dann kann es passieren, dass sich am Telefon jemand meldet, mit dem Du schon ewig nicht mehr geredet hast. Oder dass die von nebenan vor der Tür steht und fragt, ob sie für Dich vom Einkauf was mitbringen soll. Und selbst der fette Audi mit dem Doppelauspuff stoppt ab, damit Du vor ihm einfädeln kannst. Das stiftet an.
Gut, dass wir einander haben.

Thomas Berger, kath. Pastor in Dinslaken - 3.4.2020



Hanna Maas, ev. Pfarrerin in Hünxe - 2.4.2020

Ich entdecke: in diesen Tagen spielt Musik eine ganz besondere Rolle. Oft, um ungewohnte Stille mit Leben zu füllen. Und auch da – wie in vielen anderen Bezügen - gehen Menschen nun neue Wege. Da werden die Stimmen eines Jugendblasorchesters einzeln aufgenommen, zusammen geschnitten und als „Konzert“ verschickt. Da kommen Menschen bei Facebook zu gemeinsamen Mitsingkonzerten zusammen. Da singt man über Gartenzäune und Balkone hinweg miteinander.Da teilt man über Whatsapp das Lied, das zur Zeit der eigenen Einschulung auf Platz 1 der Charts stand.
Ich selber habe mit einer Freundin seit einigen Tagen die Verabredung, dass wir uns jeden Tag unter einem bestimmten Motto gegenseitig drei Lieder senden.
Und überall dort passiert ähnliches: für einen Moment wird man aus dem Alltag herausgelockt. Da kommen Erinnerungen auf, manchmal schöne und manchmal traurige, und bei diesen besonders ausgewählten Liedern sind wir immer irgendwie berührt.
Im 98. Psalm der Bibel heißt es: „Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder.“  Nun sind es beim Teilen unserer ausgesuchten Lieder meistens keine neuen Lieder, doch in dieser Zeit hören, singen oder spielen wir sie oft neu oder anders. Nicht mit einem anderen Text oder einer anderen Melodie, aber mit einem anderen Gefühl – weil sie Distanzen überbrücken, weil wir manche Textzeile anders wahrnehmen, oder weil wir uns jetzt schon freuen, die Menschen real wiederzusehen, mit denen uns die Musik gerade zusammenhält.
Und dann fühlt es sich tatsächlich so tröstlich wie ein Wunder an, wenn das Singen oder Hören oder Musizieren uns für einen Moment lang den Grübeleien und mancher Einsamkeit entziehen.
Und gerade, wenn wir uns wegen der aktuellen Umstände oder wegen anderer Sorgen nicht fröhlich und heiter fühlen können, dann ist es wunder-bar, die Musik als Kraft- und Trostquelle wiederzuentdecken, wie der Sänger Jan Delay es in seinem Lied „Hoffnung“ beschreibt: „Und wenn Du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo diese Mukke her…“
Viel Kreativität und Freude beim Entdecken und Teilen der alten oder neu(gewonnen)en Lieder, die uns gut tun, wünsche ich uns allen.

Mareike Schraut, kath. Pastoralreferentin in Dinslaken - 1.4.2020

Eigentlich ist die Emmaus Geschichte (Lukas 24,13-35) ein nachösterlicher Text.
Zwei der Jünger Jesu begeben sich am dritten Tag nach seinem Tod auf den Weg nach Emmaus. Die beiden sind verzweifelt: Sie haben nicht nur ihren guten Freund, sondern auch ihren spirituellen Lehrer, von dem sie sich Erlösung (für ganz Israel) erhofft haben, verloren. Die beiden stecken in einer Krise und müssen sich in ihrer Trauer mit ihren Ängsten auseinandersetzen. Existenzielle Fragen tauchen auf: Wie konnte das geschehen? Hätte das alles nicht ganz anders laufen können / sollen? Wie konnte Jesus das zulassen? Und was heißt das für mich? Wie geht es mit mir, wie geht es mit unserer Gemeinschaft weiter?
Fragen, die uns heute sicher nicht gerade unbekannt vorkommen. Die Situation mag zwar eine ganz andere sein, aber dennoch erlebe ich es bei vielen (telefonisch geführten) Gesprächen, dass wir Menschen gerade auf unsere ureigensten Ängste zurück geworfen werden und uns damit konfrontiert sehen. Doch wie gehen wir damit um? Schaffen wir es, uns trotz oder gerade aufgrund der aktuellen Situation, auf Gott auszurichten? Lassen wir Jesus unser Ankerpunkt sein, an dem wir uns festmachen?
Es ist auch eine Zeit, in der wir dazu aufgefordert werden, zu schauen, ob unser Glaube sich bewährt. So wie Jesus seinen Jüngern dann auf dem Weg erscheint, schickt er auch uns Begleiter, die uns unterstützen – nur halt eben nicht persönlich, sondern per Telefon, Text – oder What´sapp Nachrichten, Videos, Fotos, Mails,…
So können auch wir uns fragen: Wo hat uns in den letzten Tagen jemand geholfen, aufgemuntert, aufgebaut? Wo habe ich, vielleicht auch erst im Nachhinein, gemerkt: „Das hat mir gut getan!“ ? In solchen Situationen passiert uns das Gleiche wie den Jüngern: Gott ist uns ganz nah. Wenn wir das erkennen und uns darauf ausrichten, können wir wieder Mut und Zuversicht schöpfen. So wie die Jünger nach ihrer Begegnung mit Jesus ganz beseelt waren, wird auch uns durch solche Erfahrungen wieder Mut und die Kraft geschenkt. Und wer weiß, in welchen Situationen nicht umgekehrt auch wir dann wiederum der Hoffnungsbote für andere Menschen sind.

Armin von Eynern, ev. Pfarrer in Dinslaken - 31.3.2020

Es ist ein oft inszeniertes Motiv in Fantasyfilmen: der Kampf gegen einen unsichtbaren Gegner. Durch ein offenes Fenster oder eine knarrende Türe verrät er seine unheimliche Anwesenheit. Vorhänge flattern, Möbelstücke sind plötzlich verrückt – so verstört er seine Opfer bis zur Panik. Dann folgt der Überfall.
Was uns im Kino einen grausigen Schauer über den Rücken jagt, schleicht sich nun durch Corona ins eigene Lebensgefühl. Manche ahnen den Virus überall, wenn sie zu Einkäufen das Haus verlassen. Flucht? – unmöglich! Kämpfen – ein Schattenboxen! Also am besten verkriechen. Decke über den Kopf und sich einbunkern.
„Solidarität heißt jetzt: Distanz halten!“, sagte die Bundeskanzlerin bei einer Fernsehansprache. Das ist geboten, um Ansteckung zu verhindern. Aber es zur Lebenshaltung machen? Wer nur Distanz hält, fördert Isolation und soziale Kälte. Und bei sich eine Opfermentalität.
„Not macht erfinderisch“, sagt ein Sprichwort, das die Ohnmacht sprengt. Nach den Heinsberger Einkaufshilfen für Erkrankte und Gefährdete entstanden landesweit zahlreiche solcher Initiativen – privat und über Vereine und Kirchen organisiert. Schulunterricht anders – meine Tochter nimmt inzwischen Videoclips in englischer Sprache auf, um diese Hausaufgabe ihrem Englischlehrer zu senden. Unsere Kantorin organisiert Chorproben als Videokonferenz, stärkt so die Chorgemeinschaft und bereitet schon die nächsten Auftritte vor. Die Klavierlehrerin unterrichtet ihre Schülerinnen neuerdings per Telefon. Und es funktioniert! Vor allem tut es den Seelen in Quarantänezeiten gut.
Ein Lied macht zu solcher Kreativität Mut, darin heißt es: „Unsere Zeit in Gottes Händen, Leben heißt, das Böse wenden und die Liebe weitertragen. Jeden Tag die Zukunft wagen.“ Das Böse wenden, die Liebe weitertragen – das geht auch durch lang aufgeschobene Telefonate im Freundeskreis, durch Signale an bedrängte Geschäftspartner: „Wir bleiben in Kontakt!“, durchs Teilen Mut machender Geschichten und Ideen im Bekanntenkreis. Und oft überblicken wir nicht einmal, wie sehr unser Gegenüber von dem kleinen Zeichen zehrt, das wir ihm gerade senden.

Bartel Kalscheur, kath. Pfarrer in Dinslaken - 30.3.2020

Corona hat uns alle im Griff. Für manche ist die Angst das bestimmende Gefühl, andere sind wie gelähmt, wieder andere meinen, auf der Weltbühne würde ein surreales Stück aufgeführt. Von der sog. „Spanischen Grippe“, der vor 100 Jahren Millionen Menschen weltweit zum Opfer fielen, wissen wir nur vom Hörensagen, die Pocken, eine der ältesten Geißeln der Menschheit, wurden laut Weltgesundheitsorganisation 1980 ausgerottet, der Ebola-Virus blieb auf einige Regionen in Afrika beschränkt, von BSE und Vogelgrippe spricht niemand mehr. Die Corona-Pandemie liefert je nach Land ganz unterschiedliche Bilder. Die Auswirkungen auf das Alltagsleben der Menschen sind aber überall gravierend. Auch bei uns erlebt man nun nie Dagewesenes: Gingen die Menschen früher in Krisenzeiten verstärkt in die Kirche (Not lehrt Beten), so sind jetzt öffentliche Gottesdienste verboten. Kontakte aller Art sollen soweit wie möglich vermieden werden. Wie lange werden die Menschen das durchhalten?
Diese Rubrik will Mut machen. Daher eine kleine Regel: Äußere Distanz, aber innere Nähe! Je weniger wir uns auf das kleine Ich konzentrieren, sondern uns in die Lage anderer hineinversetzen, umso mehr Phantasie entwickeln wir, um der Isolation die Stirn zu bieten: Da bietet die Leiterrunde unserer Messdiener einen Einkaufsservice für Risikogruppen an, da stellen Menschen Kerzen in die Fenster, um Verbundenheit zu zeigen und ein Licht der Hoffnung sichtbar zu machen, da läuten den Christen die Glocken, und es ruft der Muezzin, um zum Gebet einzuladen. Es schnüren die Politiker Hilfspakete und Ungeübte trauen sich an Video-Konferenzen. Menschen wachsen über sich hinaus und setzen sich als Kassiererin, Krankenschwester, Arzt und in der Pflege einem erhöhten Infektionsrisiko aus. In vielen Branchen herrscht Ruhe, in anderen werden Sonderschichten gefahren, um das herzustellen, was für die medizinische Versorgung nötig ist. Warum tun das die Menschen? Weil es notwendig ist, weil es Not wendet. Nichts spendet mehr Sinnhaftigkeit im Leben als der Einsatz für andere. Der Autor, Menschenrechtler und Politiker Vaclav Havel sagt es so: Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn macht, egal wie es ausgeht. Ein alter Mann sagte mir: Weißt Du, ich habe im Leben immer alles angenommen, was es auch war. Dabei habe ich die Erfahrung gemacht, dass mir neue Kräfte zugewachsen sind. Ich habe keine Angst vor dem, was kommt.