Gut, dass wir zu Ostern immer nur ein Osterevangelium hören!
Wir kämen sonst ganz schön durcheinander.
Heute - bei Matthäus - sind es zwei Frauen, die am Ostermorgen zum Grab kommen, nur um nach dem Rechten zu sehen und mitbekommen, wie ein Engel den Stein weg wälzt und die Wächter schachmatt setzt.
Bei Markus sind es drei Frauen, die die Salbung des Toten Jesus nachholen wollen. Da ist das Grab schon offen und der Engel sitzt im Grab, von Wächtern keine Spur.
Lukas lässt sogar mehr als drei Frauen zum Grab gehen, die sogar von zwei Engel begrüßt werden.
Und bei Johannes ist es nur Maria von Magdala, die, als sie das offene Grab sieht, nicht mal hineinschaut, sondern sofort umkehrt und Petrus und noch einen Jünger herbeiholt.
Systematisch ist das alles nicht!
Und es wird ja noch schlimmer: Heute - bei Matthäus - treffen die Frauen, als sie zurückgehen, auf den Auferstandenen und halten IHN an den Füßen fest.
Bei Johannes betritt nach Petrus und dem anderen Jünger das Grab und als zurückgeht, begegnet sie Jesus, den sie zunächst für den Gärtner hält und darf IHN nicht anfassen: „Noli me tangere - Fass mich nicht an!“
Lukas und Markus wiederum wissen nichts von einer Begegnung der Frauen am Grab oder im Garten mit dem Auferstandenen.
Wem soll man da glauben? - Das ist doch alles sehr chaotisch.
Offenbar war es damals nicht so einfach mit der Auferstehung Jesu, dessen Tod am Kreuz die Jüngerinnen und Jünger erlebt hatten.
Wer, was, wie zuerst erlebte, das ging wohl ziemlich durcheinander:
Erschien der Auferstandene den Jüngern in schöner Regelmäßigkeit jeweils am Sonntagabend, wie Johannes es erzählt?
Oder erschien er ihnen erst auf dem Berg in Galiläa, wie Matthäus berichtet?
Oder vielleicht doch nach einem vergeblichen Fischfang am frühen Morgen am Ufer des Sees Genezareth, wie es im Nachtrag zum Johannesevangelium steht?
Oder stimmt eher, was Paulus zu berichten wusste: „ER ist am dritten Tag auferweckt worden, gemäß der Schrift, und erschien dem Kephas, dann den 12.“ (1 Kor 15,5). Was ja auch nicht korrekt ist, denn es waren ja nur noch 11 und von einer Begegnung nur vor Petrus, weiß zwar auch Lukas, aber sie wird nirgends erzählt.
Es ist ein ziemliches Durcheinander!
Wenn in Rom all das geprüft würde und man legte die selben Kriterien an, die dort für Marienerscheinungen gelten, würde man wohl zu dem Ergebnis kommen: „Dieser Jesus ist nicht von den Toten auferstanden!“
Aber vielleicht hat dieses Chaos um die Auferstehung Jesu Methode - die Methode GOTTES.
Institutionen lieben die Systematik - Chaos ist ihnen ein Gräul!
Und so wurde Ostern systematisiert. Die Vielzahl der persönlichen Zeugnisse der Begegnung mit dem auferstandenen Jesus wurde in eine nachvollziehbare Reihenfolge gebracht. Daran war schon den Evangelisten gelegen, nur hat es bei denen nicht so mit der Absprache geklappt.
Am Ende kam dabei heraus, was wir den Osterfestkreis nennen:
Oster - „Das Grab ist leer, der Held erwacht, der Heiland ist erstanden“
Himmelfahrt - „Da verschwand ER vor ihren Augen und sie sahen IHN nicht mehr.
Pfingsten - Der Heilige Geist kommt auf die versammelten Jüngerinnen und Jünger herab. Die Zeit der Kirche beginnt - aber JESUS ist weit weg - eben „beim VATER“.
Vielleicht täte es der Christenheit heute gut, mehr von dem österlichen Chaos des Anfangs zuzulassen. Die Möglichkeit zuzulassen, dass der Auferstandene eben nicht weit weg ist, sondern uns ganz nah.
Machen wir uns klar: Von einer „Himmelfahrt“, von einem Weggang zum Vater, weiß nur Lukas etwas und der später angefügte Schluss des Markusevangeliums.
Für Matthäus galt dagegen: „Ich bin bei euch, alle Tage, bis zum Ende dieser Welt“ - Punkt!
Auch Paulus war noch davon überzeugt, dass Jesus ihm vor Damaskus selbst erschienen war - weit nach Pfingsten!
Das heißt doch, wir dürfen von der Gegenwart des Auferstandenen nicht so abgeschlossen denken, wie wir es in unserer liturgischen Systematik gewohnt sind.
Die Vielzahl und Unterschiedlichkeit der Begegnungen so vieler Zeuginnen und Zeugen am Anfang mit dem Jesus, den sie für tot gehalten hatten und den sie nun als lebendig erfuhren, sollte auch uns ermutigen, offen für österliche Erfahrungen zu sein.
Sagen wir nicht: „Das gibt es nicht!“
Ich glaube der Unterschied zwischen uns und den ersten Zeuginnen und Zeugen des Auferstandenen liegt eher darin, dass sie IHN noch erlebt hatten - wir aber nicht.
Schauen wir auf die Emmauserzählung. Da ging einer mit, aber die beiden Jünger erkannten ihn nicht. Erst als ER das tat, was ER so oft schon mit ihnen getan hatte, das Brot geteilt, da erkennen sie IHN.
Die ersten Zeuginnen und Zeugen kannten Jesu Gewohnheiten, seine Art zu sprechen, seine Gesten. Daran erkannten sie nun auch, dass ER lebt, ihnen begegnet.
„ER geht euch voraus nach Galiläa; dort werdet ihr IHN sehen.“ - Das scheint mir der entscheidende Satz zu sein, auch wenn es heute im Evangelium dem Evangelisten Matthäus nicht schnell genug gehen kann und die Frauen den Auferstandenen schon am Grab begegnen und nicht erst in Galiläa.
Anders als sie waren wir nicht dabei, als Jesus durch Galiläa zog, das Reich Gottes verkündete, Menschen heilte und mit ihnen Mahl hielt. Aber ist nicht auch für uns Galiläa die Gegend, die wir uns vorstellen, wenn wir an JESUS denken? Was dort geschah, ist uns doch vertraut, wir haben immer wieder davon gehört.
Ich meine, daher haben auch wir die Chance dem Auferstandenen zu begegnen, denn immer wenn wir etwas erleben, was uns an diesen JESUS erinnert, was in uns etwas wachruft, das Menschen in der Begegnung mit IHM erfahren haben, da machen auch wir die Erfahrung: „JESUS lebt!“
Sicher, das sind tastende oft uneindeutige Erfahrungen, aber das scheinen auch die Osterbegegnungen der frühen Jüngerinnen und Jünger gewesen zu sein.
Diese Erfahrungen lassen sich nicht systematisieren, sie sind im besten Sinn „chaotisch“: vielfältig, überraschend, verwirrend, neu ...
Vor allem sind es meist ganz persönliche Erfahrungen, wo manchmal Alltägliches, Vertrautes, Gewöhnliches eine neue Dimension für mich gewinnt.
Wenn sie wissen wollen, was ich meine, dann nehmen sie einmal zu Hause das Gotteslob zur Hand und lesen oder singen Nummer 470.
Haben wir den Mut, von diesen Erfahrungen zu erzählen. Dann kann es sein, dass wir wie die Jüngerinnen und Jünger damals zu dem Glauben kommen: „ER, der tot war lebt - ER ist auferstanden“ - Halleluja!
Pastor Wilhelm Kolks
Predigt 3. Sonntag C 2022 (23. Januar 2022)
„Die Freude an Gott ist unsere Kraft“
Lesung: Nehmia 8,2-4a.5-6-8-10
Evangelium: Lukas 4,14-21
In einer Fotozeitschrift las ich vor einigen Jahren die Anekdote, dass ein berühmter Fotograf mit Freunden in einem Feinschmeckerlokal zu Gast war. Nach dem Essen kam der Koch an den Tisch und rühmte die Bilder des Fotografen: „Sie machen so tolle Fotos. Da müssen sie ja wohl eine sehr gute Kamera haben.“ Darauf entgegnete der Fotograf: „Ihr Essen war sehr lecker - dann müssen sie wohl sehr gute Töpfe haben.“
Ich weiß nicht, wie der Koch dann geguckt hat, aber es ist uns allen klar, dass man zum Kochen zwar Töpfe und zum Fotografieren eine Kamera braucht, die Qualität eines Gerichts oder eines Fotos aber mehr vom Können dessen abhängt, der oder die sie benutzt oder bedient.
Gute Töpfe machen noch kein leckeres Essen, eine tolle Kamera noch keine guten Fotos, eine Stradivari noch kein tolles Konzert und eine gute Mikrofonanlage noch nicht die gute Predigt.
Umgekehrt gilt sicher auch: ohne Töpfe kein Essen, ohne Kamera keine Fotos u.s.w..
In dieser Woche hat wieder ein Rechtsgutachten der Erzdiözese München nachgewiesen, wie sehr die katholische Kirche im Umgang mit sexuellem Missbrauch durch Priester versagt hat. Es wird nicht das letzte gewesen sein, das zu einem ähnlichen Resultat kommt.
Vom Bild einer perfekten Kirche, auf die wir stolz sein können, müssen wir uns wohl ein für alle Mal verabschieden, das Papstamt eingeschlossen.
Ein Fehlschluss aber wäre es, die Kirche mit dem Koch oder dem Fotografen gleichzusetzen.
Die Kirche ist für GOTT immer nur das, was für den Koch die Töpfe und für den Fotografen die Kamera ist.
Auch die Kirche ist zweifelsohne wichtig, aber sie ist nur Mittel zum Zweck. Wie GOTT sie nutzt und nicht ihr Zustand ist entscheidend. Davon spricht auch die Bibel immer wieder.
Ich vermute mal, dass ihnen der Priester Esra und der Statthalter Nehemia, von denen in der Lesung die Rede war, nicht viel sagen. Was wir daraus gehört haben, ist Teil der Neueinweihung des Tempels in Jerusalem. Esra und Nehemia spielten nach der Rückkehr des Volkes Israel aus dem babylonischen Exil eine wichtige Rolle, sie sorgten dafür, dass der zerstörte Tempel wiederaufgebaut wurde.
Die, die den alten Tempel Salomos noch gesehen hatten, weinten, denn der Neubau fiel wesentlich bescheidener aus als sein Vorgänger.
Dieser Neubau wurde mit einem Gottesdienst eingeweiht, bei dem aus dem Gesetz des Moses, der Tora, vorgelesen wurde. Die Reaktion der Hörerinnen und Hörer ist erstaunlich - sie weinten. Der Grund für diese emotionale Reaktion war, dass sie wohl erkannten, dass diese Weisungen GOTTES von ihren Vorfahren nicht gehalten worden war und deshalb das Unglück der Zerstörung der Stadt Jerusalem und das Schicksal des Exils auf das Volk gekommen war.
Schaut man sich den Zustand der katholischen Kirche heute an, kann man wohl auf ähnliche Gedanken kommen. Bischöfe und Kirchenleitungen haben mehr darauf geschaut, dass - um im Bild zu bleiben - die Töpfe glänzten, statt den Inhalt - das Evangelium Jesu Christi - im Blick zu haben.
Statt sich den Opfern zuzuwenden, waren sie um das das Ansehen der Kirche und die Rolle der Priester besorgt. Wir spüren alle, da ist etwas grundlegend falsch gelaufen, eben weil es nicht dem Evangelium entspricht, dem „Menu“, das uns GOTT durch die Kirche den Menschen bereiten will. Ein „Menu“, das ja gerade den Armen, den Gefangenen, den Blinden, den Zerschlagenen, ja wir müssen heute sagen den Missbrauchten „schmecken“ soll und ihnen Kraft geben will.
Das tut weh, das zu erkennen schmerzt und macht deutlich, dass eine Form von Kirche, wie sie uns lieb und teuer war, an ihr Ende gekommen ist.
Für das Volk Israel dauerte das babylonische Exil, diese Auszeit ohne Tempel, ohne Königtum, 70 Jahre.
Wie die Kirche in 70 Jahren aussehen wird, im Jahr 2092, wissen wir nicht.
Unsere Lesung aber macht uns Mut, denn solche Zeiten der Krise, können auch Zeiten der Erneuerung, der Neubesinnung auf das Eigentliche sein, nämlich auf GOTT. In Babylon fand das Volk Israel zu neuen Formen des Glaubens und zu einem vertieften Glauben an GOTT. Neben der Tempelliturgie mit ihren Opfern, wurde der Synagogengottesdienst mit dem Lesen aus und dem Hören auf die Heilige Schrift ganz wichtig. Der Synagogengottesdienst überstand selbst die zweite Zerstörung des Tempels durch die Römer kurz nach Jesu Tod.
So endet unsere Lesung auch mit der Aufforderung des Priesters Esra an das Volk: „Macht euch keine Sorgen; denn die Freude am Herrn ist eure Stärke.“
Das ist auch der Grund, warum ich zuversichtlich bin, dass die Geschichte GOTTES mit uns Menschen und die Geschichte GOTTES mit seiner Kirche nicht am Ende ist.
GOTT kann auch in den verbeultesten Töpfen für uns das leckerste Gericht kochen - das Menu des Glaubens! Ein Menu, so muss ich gestehen, das mir Freude mach, das mir schmeckt und Kraft gibt. Davon hören wir heute in der ersten Predigt Jesu in seiner Heimatstadt Nazareth:
„Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. ER hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe, damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht, damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe.“ damit zitiert Jesus den Propheten Jesaja, aber wenn ER dann fortfährt: „Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.“, dann ist mit diesem „Heute“ nicht nur ein Tag im Leben Jesu gemeint, sondern auch mein und unser „Heute“.
Der Glaube an GOTT, wie ihn mir die Bibel offenbart, öffnet mir schon heute die Augen dafür, dass mein Leben nicht das Produkt eines willkürlichen Zufalls ist, sondern einen Sinn hat, weil GOTT mich in diese Welt und Zeit gestellt hat.
Der Glaube an GOTT sagt mir auch, dass ich Freiheit habe, mein Leben zu gestalten und ich nicht allein von biologischen Faktoren, wie Genen und Hormonen gesteuert bin und auch nicht vermeintlichen Gesetzmäßigkeiten von Geschichte oder Gesellschaft.
Der Glaube an GOTT offenbart mir, dass diese Zeit, die ich auch Erden verbringe, auch „Heilszeit“ und „Gnadenzeit“ ist und es nicht egal ist, ob es mich gibt oder nicht. Ja, dass ich an diesem Heil mitwirken darf und auch nicht gefangen bin in einem ewigen Kreislauf von Werden und Sterben, sondern einmal zur ewigen Gemeinschaft mit GOTT berufen bin. Was dann auch heißt, ich darf und muss mein Leben vor IHM „ver-antworten“.
Dieses gläubige Bewusstsein hat mir GOTT in den verbeulten und dreckigen Töpfen der katholischen Kirche als Menu gekocht, woher sonst wüsste ich davon, und ich kann sagen: Es schmeckt mir immer noch!
Was nottut, scheint mir, dass wir nicht über zerstörte Tempel trauern, sondern neu das Wort GOTTES hören, die frohmachende Botschaft von der Liebe GOTTES zu uns Menschen, damit wir heute mit unserer Freude an GOTT andere anstecken können.
Das ist wie beim Essen. Wo es uns schmeckt, ist das die beste Einladung, dass andere sich dazusetzen und auch probieren.
Pastor Wilhelm Kolks
Weltmissionssonntag 2020 - Predigt von Pfarrer Wilhelm Kolks am 25.10.2020 in St. Peter Spellen
25.12.2021 - Predigt von Pastor Wilhelm Kolks zum Weihnachtsfest 2021
31.05.2020 - Predigt von Pastor Wilhelm Kolks zum Pfingstfest 2020 während der Coronakrise
26.04.2020 - Predigt von Pastor Wilhelm Kolks zum 3. Sonntag nach Ostern während der Coronakrise
19.04.2020 - Predigt von Pastor Wilhelm Kolks zum 2. Sonntag nach Ostern während der Coronakrise
12.04.2020 - Predigt von Pastor Wilhelm Kolks zum Osterfest 2020 während der Coronakrise
05.04.2020 - Prdeigt von Pastor Wilhelm Kolks zum Palmsonntag während der Coronakrise
28.03.2020 - Predigt von Pastor Wilhelm Kolks zum 5. Fastensonntag während der Coronakrise
22.03.2020 - Predigt von Pastor Wilhelm Kolks zum 4. Fastensonntag während der Coronakrise
26.12.2019 - Predigt von Pastor Wilhelm Kolks am 2.Weihnachtstag
25.12.2019 - Predigt von Pastor Wilhelm Kolks am 1.Weihnachtstag
01.04.2018 - Predigt von Pastor Wilhelm Kolks am Ostersonntag
02.10.2017 - Predigt von Pastor Wilhelm Kolks zum "Schutzengelfest"
L: Apg 6-7
Ev: Joh 1,1-18
Im Kino kann man es schon erleben: Filme in 3D.
Dazu muss man sich nur eine Pappbrille aufsetzen mit entsprechenden Folien und dann erlebt man den Film nicht nur in Höhe und Breite, sondern er gewinnt Tiefe - eben 3D. Drei Dimensionen.
Natürlich ist das nur eine Illusion, weil unser Gehirn mit seiner Fähigkeit Räume dreidimensional wahrzunehmen ausgetrickst wird, aber jede und jeder, die oder der so einen 3D-Film schon mal gesehen hat, wird begeistert sein.
Ich bin überzeugt, dass sich 3D im Kino, im Fernsehen durchsetzen wird, genauso wie der Tonfilm den Stummfilm und der Farbfilm den Schwarzweißfilm ablöste. Dem dreidimensionalen Film gehört die Zukunft.
Nur komisch, dass wir uns in anderen Bereichen unseres Lebens auf eine Eindimensionalität beschränken!
Die Dimension GOTTES, die Dimension des Himmels scheint vielen abhandengekommen zu sein. Aber genau darum geht es ja Weihnachten und auch an diesem zweiten Weihnachtstag, wo Stephanus, der erste Märtyrer der Kirche „den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten GOTTES“ sieht.
Christen, so die Botschaft des Stephanus, leben nicht eindimensional. Sie beschränken sich nicht darauf zu glauben, dieses Leben, unsere Existenz beschränke sich auf die Zeitspanne zwischen Zeugung und Tod, sondern sie glauben, dass unser Leben die Dimension des Ewigen, des Himmels hat.
Und dieser Glaube, diese Art unser Leben anzuschauen, verändert alles!
Wer nicht glaubt, dass sein Leben im Tod wie an einer Mauer zerschellt,
wer nicht glaubt, dass der Tod unsere Existenz, unsere Persönlichkeit, das was uns im tiefsten Wesen geprägt hat, auslöscht,
wer nicht glaubt, dass das, was ich getan habe, die Entscheidungen, die ich traf, das was mich betroffen hat und mich so werden ließ, wie ich bin, eigentlich belanglos ist - wer das alles nicht glaubt, die oder der kann anders leben!
Genau das sehen wir an Stephanus. Er musste nicht aus seinem Leben alles herauspressen, was ihm das Leben bot, aus Angst etwas zu verpassen. Die Dimension des Himmels ließ ihn „verschwenderisch“ mit seiner Lebenszeit umgehen. „Verschwenderisch“ zumindest in den Augen deren, denen diese Dimension abgeht.
Er stellte sich in den Dienst an den Armen der Gemeinde, so erzählt uns die Lesung. Nicht, weil er sich das ausgesucht hätte, sondern weil die Gemeinde überzeugt war, dass er für diesen Dienst der Richtige sei.
Die Dimension des Himmels ließ ihn auch wagemutig sein, ja er redete sich buchstäblich „um Kopf und Kragen“, weil er keine Angst hatte den Mund zu halten. Er legte sich mit den Autoritäten an, weil er überzeugt war, dass über sein Leben GOTT und Menschen letztlich richten würden.
Wenn wir auf ihn, auf Stephanus schauen, bekommen wir eine Ahnung von dem, was der Prolog des Johannesevangeliums, den wir heute als Evangelium hören, mit den Worten ausdrückt: „Allen aber, die IHN aufnahmen, gab ER die Macht, Kinder GOTTES zu werden, allen, die an seinen Namen glauben“ (Joh 1,12)
Wer sich als Kind GOTTES sehen kann, wer die Dimension GOTTES für sein Leben hat, wer dem vertraut, der uns selbst aus dem Tod retten kann, die und der können anders leben!
Leben ohne Angst zu kurz zu kommen, nur weil ich meine Lebenszeit auch für andere einsetze,
Leben ohne Angst etwas zu verpassen, nur weil ich so gelebt habe, wie es anderen nicht passt.
Leben ohne Angst, dass der Tod mir das Leben nimmt, sondern leben im Vertrauen, dass in meinem Sterben mir alles geschenkt und alles vollendet wird.
An Stephanus können wir ablesen, was uns Weihnachten geschenkt wurde: Die Dimension des Himmels, die Dimension GOTTES, die Dimension des wahren Lebens!
Eines Lebens, das nicht auf der Flucht vor dem Tod ist, sondern unterwegs ist und dem entgegen, der uns sagt: „Ich bin die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zum Vater, außer durch mich.“
Pastor Wilhelm Kolks
L: Jes 9,1-6
Ev: Lk 2,1-14
Es gibt ein Foto in diesem Jahr, das mich besonders berührt hat:
Da sitzt Greta Thunberg auf dem Rückweg von der Weltklimakonferenz in Madrid zwischen Gepäckstücken auf dem Boden eines überfüllten deutschen ICE Zuges.
Ein Schicksal, das sie mit tausenden Fahrgästen jeden Tag teilt.
Was mich an diesem Bild so anspricht, ist die Tatsache, dass diese junge Generation, für die Greta Thunberg steht, offenbar bereit ist, auf Komfort zu verzichten, um ihren Zielen treu zu bleiben.
Ich gestehe, dass ich, nachdem ich 2017 auf meinem Rückweg vom Jakobsweg in Spanien eine Nacht auf einer Parkbank vor einem Bahnhof verbringen durfte, dann 2018 lieber den Flieger nach Spanien genommen habe.
Viele der jungen Leute in der Generation von Greta Thunberg scheinen mir da konsequenter zu sein.
Ein Foto von der Initiatorin der „Fridays for Future“ hat uns in St. Elisabeth durch den Advent begleitet und in St. Peter stand vor dem Altar eine Tafel mit dem Wort des Propheten Jesaja:
„Seht her, nun mach ich etwas Neues. Schon kommt es zum Vorschein, merkt ihr es nicht?“ (Jes 43,19)
Ja, ich glaube, auch heute 2019 kommt Neues zum Vorschein, bricht etwas auf, was mich hoffnungsfroh macht. Zwar werden mit dem Brexit Anfang des neuen Jahres die Briten die Europäische Union verlassen, aber das scheint mir zutiefst reaktionär und rückwärtsgewandt zu sein. Auch in England wollen die junge Generation international leben. Sie wollen keine neuen Grenzen hochziehen. Einem gemeinsamen Haus Europa gehört die Zukunft, denn auch die Herausforderungen, die sich uns und in Zukunft der jungen Generationen stellen, machen an nationalen Grenzen nicht Halt.
Der Brexit, davon bin ich überzeugt, wird nicht das letzte Wort haben.
Was hat das alles mit Weihnachten zu tun, dem Fest, zu dem wir heute zusammengekommen sind?
Heute feiern wir, dass GOTT in diese Welt gekommen ist, nicht nur in die Welt des Jahres 1, sondern in die Welt des Jahres 2019, in unsere Zeit und Gegenwart. Heute will ER sein Heil wirken, heute soll zum Vorschein kommen, was ER uns an „Neuem“ verheißt.
Aber merken wir das?
Vermutlich tun wir uns damit schwer und das liegt wohl daran, dass GOTT kein Populist ist, der die Schlagzeilen sucht und behauptet: „Wenn ihr mich nur machen lasst, dann werde ich es schon richten!“
Nein, gerade Weihnachten macht mir immer wieder bewusst: GOTT geht andere Wege. Wege, des Unscheinbaren, Verborgenen. Wege, die auch irritieren, die zweifeln lassen.
Deutlich wird das bei Johannes dem Täufer. Der verkündete am Jordan den starken Mann, der da kommen soll, den, der die Axt schon an die Wurzel der Bäume gelegt hat, die keine gute Frucht bringen, den, der trennen wird zwischen Guten und Bösen, zwischen Spreu und Weizen und die Spreu verbrennen wird.
Doch Jesus erfüllt die Erwartungen des Johannes nicht und so lässt der Täufer, als er selbst im Gefängnis des Herodes sitzt, bei Jesus anfragen: „Bist du es, der da kommen soll, oder müssen wir auf einen anderen warten?“ (Mt 11,3)
Eine erschütternde Frage eines Menschen, der ja ganz auf diesen Jesus gesetzt hat. Eine Frage, die Zweifel, Enttäuschung und Unsicherheit verrät, all die Gefühle, die ja auch uns nicht fremd sind:
Wo ist der „Friede auf Erden“, den die Engel verkündeten?
Wo ist das Reich der Gerechtigkeit, der Liebe? Wo der Sieg des Guten über das Böse? All das, was uns verheißen wurde?
Die Antwort Jesu, wie Matthäus und Lukas sie uns überliefern lautet überraschend:
„Geht und berichtet Johannes, was ihr hört und seht: Blinde sehen wieder und Lahme gehen; Aussätzige werden rein, und Taube hören; Toten stehen auf, und den Armen wird die frohmachende Botschaft verkündet. Selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt. (Mt 11,5-6)
Offenbar lag Johannes also doch richtig! Jesus ist der, der da kommen soll, aber seine Art und Weise - und damit GOTTES Art und Weise - die Verheißungen zu erfüllen, die alte Sehnsucht nach Frieden und Gerechtigkeit, nach Heilung der Welt vom Bösen - ist eine andere, als Johannes sie sich vorgestellt hat.
Es braucht nur eine Korrektur unseres Blicks, unserer Wahrnehmung.
Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich mit über 40 Mitschülerinnen und -schülern im 3. Schuljahr in der Klasse saß und immer bei meinem Mitschüler neben mir abschreiben musste, weil ich an der Tafel nichts mehr erkennen konnte und wie es war, als dann mit einer Brille zum ersten Mal in die Klasse kam und wieder alles sah. Das war ein kleines Wunder.
Ich glaube, auch Weihnachten will uns so etwas wie eine neue Brille verpassen, die uns wieder klar sehen lässt, wie GOTT in unserer Welt sein Heil wirkt. ER greift nicht ein in unsere Geschichte als der große Macher. Nein, GOTT fängt immer klein an, im Unscheinbaren, nämlich immer wieder mit jedem und jeder von uns!
Ja, mit dem Kind in der Krippe, mit Jesus, schenkt ER uns die „Brille“, die uns sehen lässt, wo das „Neue“ beginnt, das schon zum Vorschein kommt, wo GOTTES Reich unter uns erfahrbar Wirklichkeit wird.
Es ist doch erstaunlich, dass auch die Krisen und die Kriege, die Katastrophen und Nöte in mehr als 2000 Jahren die Sehnsucht nach Heil nicht kleingekriegt haben! Immer wieder sind Menschen widerständig gewesen gegen das Unheil oder haben sich in den Dienst des Heils gestellt, selbstlos und erfinderisch, verantwortungsbewusst und liebevoll. Sie begreifen Krisen als Herausforderung und Neues wurde und wird. Selbstverständlich ist das nicht und schon gar nicht natürlich!
Der Hinduismus kennt nur den ewigen Kreislauf des Seins. Hier gilt „Nichts Neues unter der Sonne“, dem Buddhismus geht es um Freiwerden vom Schmerz, um Distanz zur Welt, Christen dagegen finden sich nie mit dem Zustand der Welt ab, sie glauben, dass das Böse, das Leid, der Schmerz, ja sogar der Tod überwunden wird, wo wir uns öffnen für GOTTES Geist. Und das Einfallstor des Geistes GOTTES ist die Sehnsucht nach der neuen Welt GOTTES, die heute schon ihren Anfang nimmt und an der wir mitwirken dürfen.
Wo die Sehnsucht groß wir nach dem umfassenden Frieden mit den Menschen und der ganzen Schöpfung, da ist GOTTES Wirken spürbar. Da dürfen wir es heute schon „sehen“:
wo Menschen nicht mehr taub sind für die Nöte der anderen,
wo sie nicht mehr die Augen schließen vor den Folgen ihres Handelns für die kommenden Generationen,
wo Fremde, die zu uns kommen, nicht wie Aussätzige an den Rand geschoben werden, sondern angenommen und aufgenommen werden,
ja, wo wir selbst für die Toten eine Hoffnung auf neues Leben haben, da schafft GOTT Neues unter uns,
da wird ER auch heute unter uns Mensch, in dem ER uns zu Menschen wer lässt, Menschen, an denen ER sein Wohlgefallen hat, Menschen SEINER Gnade, Menschen, die ER einfach mag, Menschen, die ER wie die Hirten einlädt IHM in einem Menschenkind zu begegnen.
Ob Greta Thunberg Christin ist, weiß ich nicht.
Aber in ihr und in vielen anderen spüre ich die Sehnsucht nach einer Welt, wie GOTT sie will.
Diese Sehnsucht groß werden zu lassen, darauf kommt es an. Das ist der Weg GOTTES mit uns. Der Weg, der mit SEINER Menschwerdung einen Anfang genommen hat.
Diese Sehnsucht feiern wir heute, damit sie groß wird und stark und die Welt rettet.
Pastor Wilhelm Kolks
Osterpredigt 2018
Geben wir es ruhig zu: das, was gerade als österliches Evangelium gehört haben ist kein „Happy End“ á la Rosamunde Pilcher in einer Fernsehschnulze. Vielmehr gleicht die Szene eher dem Auftakt eines englischen Krimis, nur dass gerade keine Leiche gefunden, sondern die gerade vermisst wird.
Aber die Reaktion der Beteiligten ist dieselbe:
„Da verließen sie das Grab und flohen; denn Entsetzen hatte sie gepackt. Und sie sagten niemand etwas davon; denn sie fürchteten sich sehr.“
Eigentlich würde man jetzt einen Kommissar mit seinem Assistenten erwarten, der der Sache auf den Grund geht. Zwar müssten das Duo nicht mehr im Mordfall Jesus von Nazareth ermitteln - da lagen die Fakten ja auf der Hand, ausführlich von den Evangelisten in den Passionsberichten geschildert - aber auch das Verschwinden eines Leichnams ist ein Delikt.
Wo soll man ansetzen, wird sich der Kommissar fragen?
Vermutlich wird er sich zunächst mal die Zeugen - in unserem Fall die Zeuginnen - vorknöpfen. Und die werden ihm berichten, was sie bewegt hatte am Morgen des ersten Tages der Woche in aller Frühe zum Grab Jesu zu gehen. Sie werden erzählen, dass sie die üblichen Bestattungsrituale nachholen wollten, die wegen des Anbruchs des Sabbaths nicht ausgeführt werden konnten.
Sie werden berichten, dass der Rollstein, der das Grab verschloss, schon weggerollt, das Grab offen war und sie in es hinein schauten. Statt des Leichnams hätte da ein junger Mann in einem weißen Gewand gesessen und ihnen gesagt:
„Erschreckt nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. ER ist auferstanden; ER ist nicht hier. Seht, da ist die Stelle, wo man ihn hingelegt hatte.“
Soweit stimmen die Zeugenaussagen überein, höchstens, dass eine der Zeuginnen noch einen weiteren Mann gesehen haben will, wie der Evangelist Lukas berichtet.
Der Kommissar wird sich fragen: Was heißt das: »auferstanden«? Wurde der Leichnam aufgenommen und weggetragen? War Jesus gar nicht tot und hatte das Grab verlassen? Oder ist er gar reanimiert worden? Wer aber hätte Interesse an einem Leichnam? Und dass Jesus tot - mausetot - war, daran bestand kein Zweifel - die römischen Soldaten verstanden ihr Handwerk. Reanimation wäre auch höchst unwahrscheinlich beim Stand der damaligen Medizin.
Was also meinte der junge Mann mit: „ER ist auferstanden!“?
Vor allem hatte er gesagt: „Er geht euch voraus nach Galiläa, dort werdet ihr ihn sehen, wie Er es euch gesagt hat.“
Wir alle kennen die Auflösung dieses Falles.
Paulus fasst es in dem Satz zusammen: „GOTT hat IHN von den Toten auferweckt.“
Aber, so müssen wir ehrlich sagen, das ist kein Beweis, das ist eine Behauptung, ein Glaubenssatz.
Hält dieser Satz den Fakten stand?
In einer Zeit, in der »Fake news« Hochkonjunktur haben, Wahlen damit manipuliert und Politik damit gemacht wird, müssen wir auch unseren österlichen Glauben einem „Faktencheck“ unterziehen. Nur zu singen: „Das Grab ist leer, der Held erwacht“ wird nicht reichen, um Menschen davon zu überzeugen, dass Jesu Auferstehung von den Toten - das, was wir heute am Ostertag feiern - der Wahrheit entspricht.
Nehmen wir uns also die Fakten vor.
Zunächst einmal „Das leere Grab“. Was beweist ein leeres Grab? Da müssen wir feststellen: Beweisen tut es gar nichts. Die Erklärungen, dass der Leichnam Jesu nicht mehr an der Stelle lag, wo man ihn nach der Kreuzigung hingelegt hatte, sind vielfältig. Das „leere Grab“ ist eher ein prächtiger Nährboden für „Fake news“, das wussten schon die Evangelisten. Der Leichnam Jesu hätte von den Gegnern Jesu gestohlen sein können oder die Jünger Jesu hätten ihn weggeschafft, um dann zu behaupten, dass er lebe und so weiter.
Das leere Grab ist eher eine Leerstelle, die man nicht leugnen, nicht abtun kann, die uns aber herausfordert, über die Botschaft, dass Jesus auferstanden ist, nachzudenken.
Ein weiteres Faktum ist der Hinweis auf „Galiläa“ den der junge Mann im Grab gab: „Er geht euch voraus nach Galiläa, dort werdet ihr IHN sehen.“ Damit war nicht zu rechnen, aber da sind sich alle neutestamentlichen Zeugen einig: Der, den auch seine Freundinnen und Freunde für tot hielten, ER begegnete ihnen wieder. ER redete und aß mit ihnen. Das kann man für Einbildung halten, aber wenn Paulus ungefähr 20 Jahre später schreibt: „Danach erschien er mehr als 500 Brüdern zugleich; die meisten von ihnen sind noch am Leben, einige sind entschlafen. Danach erschien er dem Jakobus, dann allen Aposteln.“ (1 Kor 15,6ff), dann hat es an Zeugen dafür nicht gemangelt. In den Gottesdiensten der Osterzeit hören wir von vielen dieser Begegnungen.
Vor allem aber waren diese Begegnungen mehr als ein nettes: „Hallo, da bin ich wieder!“. Sie waren mehr als ein Trost, dass ein liebgewordener Mensch lebt. Das wäre dann vielleicht eine reine Wunschvorstellung gewesen, wie sie bei Einzelnen schon mal vorkommt. Aber bei so vielen? Das stärkste Argument für die Wahrhaftigkeit dieser Begegnung aber ist, dass sie das Leben derer auf den Kopf stellte, die sie erlebten.
Sie liefen nicht auseinander, sondern bildeten Gemeinden.
Sie verschwiegen nicht, was sie erlebt hatten. Selbst als man es ihnen unter Strafe verbot davon zu erzählen, sagten sie: „Wir können unmöglich schweigen über das, was wir gesehen und gehört haben.“ (Apg 4,20)7
Das sind starke Argumente für die Echtheit ihres Erlebens, dass der, den man gekreuzigt und begraben hatte, lebt!
Es gibt aber noch ein drittes Indiz, dass für die Auferstehung Jesu als einem Faktum spricht. Der Glaube daran hat nämlich die Welt verändert, mehr als die meisten von uns glauben, denn im Zuge der Aufklärung waren ihre Protagonisten sehr geschickt, die eigenen Ursprünge zu verwischen. Wer glaubt: „Jesus lebt, mit IHM auch ich.“ der sieht die Welt und sein Leben mit anderen Augen. Von dieser „Auferstehungssicht“ sind wir so geprägt, dass uns der Ursprung manchem, was uns wertvoll und wichtig ist, gar nicht mehr bewusst ist.
Die Auferstehung Jesu und auch die Auferstehung jedes Einzelnen vom Tod zum Leben lassen sich nämlich nicht trennen. Paulus sagt das ganz klar: „Wenn es keine Auferstehung der Toten gibt, dann ist auch Christus nicht auferweckt worden.“ (1 Kor 15,13)
Wer also an die Auferstehung Jesu glaubte, der handelte sich damit ungeahnte Konsequenzen ein.
Das eine war, dass sie oder er davon überzeugt war: Einmal werde ich ganz persönlich mein Leben vor GOTT verantworten müssen.
Der Ausweg, den Paulus durchaus noch zu seiner Zeit kennt und nach dessen Motto viele seiner Zeitgenossen lebten „Wenn Tote nicht auferweckt werden, dann lasst uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot.“ (1 Kor 15,32b) war ihr oder ihm verwehrt.
Christen wussten nun, dass jeder einzelne, ganz persönlich vor GOTT zählt und in Verantwortung steht. Das hat ein Philosoph unserer Tage (Larry Siedentop, Die Erfindung des Individuums) einmal die „Erfindung des Individuums“ genannt.
Und die Gläubigen wussten, dass vor GOTT nicht zählt, ob ich Freier oder Sklave, Jude oder Grieche, Frau oder Mann bin. Das war die Geburt der Gleichheit aller Menschen.
Um aber individuell und persönlich Verantwortung zu tragen, ist Freiheit die Voraussetzung. So steckt auch der Keim dieser Idee, die uns heute so wertvoll ist, eben hier in dem Glauben an die Auferstehung.
Wer dazu mehr wissen möchte, der muss nur mal das neueste Buch des Psychiaters und Theologen Manfred Lütz lesen: „Der Skandal der Skandale - Die geheime Geschichte des Christentums.“ Hier weist er sehr nachvollziehbar nach, was die meisten Historiker und Fachleute längst akzeptieren, dass die Folgen, Wirkungen und Nebenwirkungen des christlichen Glaubens kolossal sind.
Und das Zentrum unseres christlichen Glaubens ist eben das Bekenntnis, dass Gott Jesus von den Toten auferweckt hat.
Ist es wahr? Ist Jesus tatsächlich von den Toten auferstanden?
Diese Frage kann letztlich nur jede und jeder selbst für sich beantworten.
Jede und jeder muss sein Osterhalleluja selbst buchstabieren und anstimmen.
Es wird sicher unterschiedlich laut und kunstvoll ausfallen.
Wer jedoch in diesen Osterjubel einstimmt - vielleicht sich auch nur durch das Zeugnis so vieler Glaubender anstecken lässt - wird entdecken, dass sich von daher sein Leben, unsere Welt und ihre Geschichte in einem neuen Licht zeigt. Halleluja!
Pastor Wilhelm Kolks
Predigt von Pastor Wilhelm Kolks beim Treffen der Confraternitas Borkensis
Lesung: Offb 5,11-14
Evangelium: Mt 18,1-5.10
Glauben sie, dass es Engel gibt?
Umfragen haben gezeigt, dass in Deutschland zwar nur 35% der Menschen an die Existenz eines persönlichen Gottes glauben, aber 54% von der Existenz der Engel überzeugt sind.
Engel haben Konjunktur - nur - wie mir scheint - in der Kirche nicht!
Für mich ein Grund heute einmal über Engel mit ihnen nachzudenken, denn am Freitag war das Fest der Erzengel Michael, Gabriel und Rafael und heute am 2. Oktober steht in der Liturgie das „Schutzengelfest“ auf dem Kalender.
Lassen sie mich mit einer Begebenheit beginnen, die ich vor einigen Monaten mitbekam, als ich in unserem Pfarrheim zufällig hörte, wie eine junge Mutter die Leiterin einer pädagogischen Mutter-Kind-Gruppe um Rat fragte, weil ihr Kind nur bei Licht im Zimmer einschlafen wollte. Im Dunkeln hätte es immer furchtbare Angst.
Ich wollte nicht neugierig sein und bekam nicht mehr mit, was die Leiterin der Gruppe dieser Mutter riet, aber mir kam spontan der Gedanke, ich würde mit dem Kind beten, was sie vielleicht auch noch kennen:
„Abends, wenn ich schlafen geh‘,
vierzehn Englein um mich steh’n:
zwei zu meiner Rechten,
zwei zu meiner Linken,
zwei zu meinem Haupte,
zwei zu meinen Füßen,
zwei, die mich decken
zwei, die mich wecken,
zwei, die mich tragen ins himmlische Paradeis,
Äuglein zu und schlaf jetzt leis‘. Amen
Ist das naiv?
Vielleicht - aber Kinder haben ein Recht auf ihre „kindliche Naivität“ - sagt die Pädagogik.
Und wenn selbst Jesus sagt: „Wenn ihr nicht umkehrt und wie die Kinder werdet, könnt ihr nicht in das Himmelreich kommen.“ , dann sollten wir den - im besten Sinne - „naiven“ Glauben der Kinder ernstnehmen!
Was ist das für ein Glaube, den Jesus den Kindern zuspricht und uns als Vorbild vor Augen hält?
Sicher ist es nicht der Glaube der Kirche, wie ihn der Katechismus lehrt oder wie wir ihn im Credo bekennen. Davon haben Kinder naturgemäß keine Ahnung.
Aber Kinder haben einen starken Glauben! Sie glauben nämlich, dass jemand ihnen gibt, was sie brauchen, wenn sie Hunger haben oder die Pampers voll ist, sie in den Arm nimmt, wenn sie Angst haben und sie schützt oder tröstet, wenn sie sich wehgetan haben.
Ohne diesen Glauben an das Gute in der Welt könnten sie nicht leben, denn sie haben kein Geld um solche Zuwendung zu bezahlen und keine Macht es zu fordern. Kinder glauben einfach, dass die Welt gut ist. Wir nennen das „Urvertrauen“.
Zu diesem „Urvertrauen“, das sich ausdrückt auf den ersten Seiten der Bibel, wo es nach jedem Schöpfungstag heißt: „Und siehe, es war sehr gut“, lädt Jesus seine Jüngerinnen und Jünger, und damit auch uns, ein. Es ist das Vertrauen in Gott, der es gut mit uns meint, der uns gibt, was wir brauchen, aber nicht immer, was wir uns wünschen - eben, wie gute Eltern es auch tun.
Nun - auch das lehrt uns die Erfahrung, denn wir alle sind einmal Kinder gewesen, dieser Glaube kommt notwendiger Weise in eine Krise!
Irgendwann merkt jedes Kind, ich bin nicht allein auf dieser Welt. Meine Eltern müssen sich vielleicht um ein Geschwisterkind kümmern und im Kindergarten teilt es die Aufmerksamkeit der Erzieherin mit vielen anderen Kindern. Es steht nicht mehr allein im Mittelpunkt.
Der unbedingte Glaube kommt ins Wanken, dass die Welt gut ist.
Wir Menschen sind eben begrenzte Wesen, auch im Hinblick auf die Menschen, die wir lieben, wie unsere Kinder. Wir können nicht zu jeder Zeit für sie da sein, sie überall und immer umsorgen und schützen.
Gläubige Eltern werden ihrem Kind versuchen zu vermitteln, dass Gott aber anders ist. Dass seine Liebe zu uns keine Grenzen kennt!
Aber wie soll ich das glauben bei allein 7 ½ Milliarden Menschen auf diesem Planeten? Und Kinder möchten ja noch dazu gerne haben, dass Gott auch ihren Hund, die Katze und das Meerschweinchen nicht vergisst!
Dieses Problem ist uralt!
Und - wir sollten es ernstnehmen!
Die Antwort der Bibel auf dieses Problem - was ja eigentlich eines unserer begrenzten Vorstellungskraft ist - sind die Engel!
Engel - der Name kommt vom Griechischen „Angelos“ - auf Deutsch „Bote“ - kommen in der Bibel immer dann ins Spiel, wenn Gott einen Menschen ganz persönlich meint, sich ihm zuwendet oder ihn begleitet.
Das ist so bei Abraham und Sarah (Gen 18,1 - 19,1), bei denen Gott in der Gestalt von drei Männern zu Gast bei den Eichen von Mamre zu Gast ist, die als Engel gedeutet werden (Gen 19,1; Hebr 13,2) und den beiden einen Sohn verheißt.
Das ist so bei Maria, wo es der Engel Gabriel ist, der ihr verkündet: „Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären.“
In einem Text des Pfarrers und Dichters Wilhelm Willms heißt es: „Es müssen nicht Männer mit Flügeln sein - die Engel“. Das ist auch in der Bibel so.
Rafael, der in der schönen Geschichte des Buches Tobit - einem theologischen Märchen - den Tobias in ein fernes Land begleitet, lügt beispielsweise wie gedruckt, als er sich dem Vater Tobit als Reisebegleiter seines Sohnes anbietet: „Ich bin Asarja, der Sohn des großen Hananja, einer von den Brüdern deines Stammes.“ (Tobit 5,13) Erst am Ende der Geschichte gibt er sich als der zuerkennen, der er wirklich ist - ein Engel Gottes: „Ich bin Rafael, einer von den sieben heiligen Engeln Gottes.“ (Tob 12,15)
Vielleicht ist das wirklich so, dass uns Gott seine Engel sendet - also seine ganz persönliche Zuwendung schenkt - wir aber erst im Nachhinein das erkennen. Insofern hat es etwas zutiefst Wahres, wenn wir manchmal zu einem Menschen sagen: „Du bist ein Engel“.
Gott kennt mich, Er weiß um mich, Er spricht zu mir ganz persönlich, Er weiß und gibt mir, was ich - gerade auch in schwierigen Zeiten - brauche. Das ist gemeint, wenn wir von den Engeln sprechen oder das Lied singen, dessen Text Dietrich Bonhoeffer in der Gefängniszelle kurz vor seiner Hinrichtung geschrieben hat: „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag, Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“
Es gibt noch einen zweiten Aspekt der Rede von den Engeln, den ich noch kurz anschneiden möchte.
Es sind die himmlischen Heerscharen der Engel, die Chöre der Engel, die sein ewiges Lob singen.
Nach einem Wort Jesu werden wir in unserer Auferstehung vom Tod ihnen gleich sein und Gottes Angesicht schauen.
Ich kann mir das gut vorstellen, denn ich kann mir Gott nicht beziehungslos, einsam denken. Gott ist immer Fülle des Lebens. Eine Fülle, die unsere Vorstellungskraft sprengt, die uns aber ahnen lässt, Gott ist der immer Größere, den wir mit unserem begrenzten Verstand nicht begreifen können.
Auch davon sprechen uns die Engel.
Als ich jetzt für die Erstkommunion nach Bildern suchte, in denen Kinder ihre Vorstellung von Gott zum Ausdruck bringen., entdeckte ich das eines achtjährigen Jungen. Er hatte Gott gemalt, der die ganze Erde, wie ein Riese umfasst. In das Gesicht Gottes hatte er ganz viele Punkte gesetzt und dazu geschrieben: „Gott wohnt im Himmel und überall. Gott hat Billionen Augen.“
Ich glaube, dieses Kind hat es genau begriffen, was die Engel Gottes sind: Gott hat ein Auge auf jeden und jede von uns! Er vergisst keinen!
So dürfen wir auch das Wort Jesu in unserem Evangelium verstehen: „Denn ich sage euch: Ihre Engel im Himmel sehen stets das Angesicht meines himmlischen Vaters.“
Aus diesem Vertrauen dürfen wir leben - davon sprechen uns die Engel.
Pastor Wilhelm Kolks